Mittwoch, 20. Juni 2012

Objektifizierung. Hier auch, weil mir kein besserer Titel einfällt.

Muriel und Anatol haben beide etwas zur Frage der Objektifizierung von Frauen in dieser Werbung geschrieben, und sie sind sich durchaus nicht einig, aber beide lesenswert. Meine Meinung liegt vielleicht näher bei Anatol, aber Muriel stellt die wunderbare Frage:

Und insbesondere dazu würde mich dann auch die Meinung der mitlesenden Frauen interessieren: Fühlt ihr euch angesprochen? Seht ihr die Sache mit dem Schmetterling als männliche Rezeption, oder könnt ihr euch auch mit der Vorstellung anfreunden, das könnte das “Feel it” der Sängerin sein? Ist die Frau im Auto nur ein Instrument unter der Kontrolle des Mannes, und wird sie dadurch entwürdigt?

Was denkt ihr von der Kampagne, und findet ihr meine Position verständlich, oder bin ich verblendet von der patriarchalen Gesellschaft, in der ich aufgewachsen bin? Seid ihr beleidigt, entsetzt ob des missglückten Plakats, oder versteht ihr einfach die ganze Aufregung nicht?
.

Und weil das ein Themenbereich ist, über das ich schon lange mal laut nachdenken wollte, nutze ich die Gelegenheit und tu es in einem eigenen Eintrag.

Ich bin nur begrenzt vertraut mit der feministischen Theorie hinter dem Vorwurf der Objektifizierung, sollte ich mal nachholen. Ich hatte bisher noch nicht so richtig Lust dazu, weil das für mich etwas vorbelastet ist: Wenn ich als Teenager irgendetwas Interessantes mit nackten Leuten gesehen (und mich gefreut) habe, hat meine Mutter oft über die Objektifizierung der Frauen geschimpft und mich weitergezogen.
Ich habe sie damals verdächtigt, einfach keine Darstellungen von Sex zu mögen, was überhaupt nicht zu dem Bild paßt, was ich sonst von ihr habe. Kann aber trotzdem sein. Egal. Jedenfalls fand ich es doof, und den Vorwurf auch, denn ich wollte das ALLES sehen.

Ich bemerke aber in den letzten Jahren bei mir an ähnlichen Stellen einen heftigen Widerwillen. (Über den Verdacht, keine Darstellungen von Sex zu mögen, bin ich meines Erachtens absolut erhaben - ich mag sie sehr, und ich bin auch gar nicht so wählerisch...
*verlegenzubodenguck*).

Und ich glaube, verstanden zu haben, was für MICH das Problem ist (ohne das jetzt irgendwie für andere Frauen verallgemeinern oder zu einer Theorie erheben zu wollen.)

Für mich ist die Objektifizierung an sich auch keine große Sache. Natürlich sehe ich meinen Klempner primär als Klempner, meine Kunden primär als Geldquelle und ich könnte durchaus auch Männer nennen, die ich schon eher nicht so sehr als Ganzes als Mensch toll fand, sondern eher in ihrer Funktion als, äh, naja. Also... I can relate.

Warum also die Aufregung, wenn irgendwo eine Frau primär als Sexobjekt dargestellt wird?
Für mich ist das eher ein Kristallisationspunkt.
Ich finde die Grundidee der gesamten Werbekampagne eigentlich ziemlich cool, und das besagte Motiv grenzwertig; wahrscheinlich hätte es mich nicht einmal besonders gestört, aber das ändert nichts an dem tieferliegenden Problem, das daran imho sichtbar wird:

In der überwältigenden Mehrheit aller "Erzählungen", die in Filmen, Büchern, aber auch Produktbeschreibungen und Werbeplakaten transportiert werden, sind es nach wie vor Männer, die handeln, Entscheidungen treffen, hinaus in die Welt ziehen, Abenteuer erleben, die Welt gestalten.
(Man kann jetzt einzelne Ausnahmen aufzählen. Daß es in den letzten Jahren ein paar Prozent anderer Erzählungen gibt, ändert aber (noch) nicht viel an dem Effekt.)

Es gibt eine separate Schiene von selbständigen Erzählungen, in denen Frauen für ihre Liebe kämpfen, ihr Kind retten, ihren Traummann finden oder die richtigen Vorhänge oder das richtige Waschmittel. Aber wenn genau DIESE Form der Lebensgestaltung (grob verallgemeinert: Hausfrau) gerade nicht mein primäres Interessensgebiet ist, dann sind meine Identifikationsfiguren immer Männer.

Und das ist erstmal auch kein Problem für mich.
Wenn ich lese oder Filme sehe, dann bin ich Kapitän, Cowboy, Selfmademan, Ritter, Entdecker oder auch Loser. Wenn ich Werbung sehe, kann ich auch Sportwagenfahrer, Heimwerker oder Pianist sein, wenn ich will.
Es ist kein Problem, weil es für die meisten Sachen eigentlich nicht wichtig ist, welches Geschlecht die Person hat. Da kann ich mich mit einem Mann genausogut identifizieren wie zB mit einer kleinen dünnen dunkelhäutigen Heldin, obwohl ich groß und klopsig und weiß bin. Aber übrigens auch nur, weil ich nicht in einem Kanon aufgewachsen bin, der mir sogar explizit sagt, daß ich nicht Kapitän sein KANN, weil ich weiblich bin. Damit stelle ich immer noch weltweit eine Minderheit dar.
Also: in der Mehrheit der interessanten Szenarien ist der handelnde Mensch in Wirklichkeit ein handelnder MANN. Aber ich habe immerhin die Wahl, die Rolle trotzdem auch auf mich zu beziehen.

Sobald aber eine Frau (als Objekt) ins Spiel kommt, spielt das Geschlecht der Hauptperson sehr wohl eine Rolle.
Und ich falle aus meiner Identifikation, weil ich bis eben noch der Cowboy war und aber jetzt erkenne, daß die Idee des Autors für meinesgleichen eigentlich ist, daß ich diejenige bin, die dem Cowboy ein Bier bringt und ihm die Stiefel auszieht, oder mehr.
Und je objektifizierender die Darstellung der Frauen ist, je platter ihre Charakterzeichnung und je aufgeblasener ihre Oberweite, desto deutlicher macht mir der Autor oder die Werbeagentur:
Ich bin nicht gemeint.
Das Produkt, das Spiel, die Geschichte ist nicht für mich gedacht.
Ich -- bzw. wir, die Hälfte der Bevölkerung, sind nicht die Zielgruppe, sondern wir sind die Leute, die der Zielgruppe ein Sandwich machen oder einen blasen.

Und sogar das ist vielleicht erstmal nicht so schlimm, es darf ja auch Produkte ausschließlich für Männer geben.
Aber weil es an so vielen Stellen auftritt, wo eigentlich alle gemeint sein sollten und gemeint sein könnten, empfinde ich es irgendwann ab dem 473sten Mal als einen expliziten Ausschluss.
Der auf eine gewisse Weise nochmal schlimmer wird dadurch, daß er oft nicht absichtlich geschieht: Anatol schreibt treffend:

Ohne es zu wollen, bestätigt Thomann [in seiner "Entschuldigung"] das zugrundeliegende Problem und nimmt sprachlich konsequent die Perspektive der Männer unter ihren Kund/innen ein: Es geht nicht darum, welche Gefühle „man“ beim Musikmachen hat, es geht darum, welche Gefühle „Mann“ beim Musikmachen hat.

Die männliche Perspektive ist die normale, und es gibt, wie es eine Freundin von mir mal ausdrückte, "Menschen und Frauen". Und das ist mir zuwenig.

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Das ist ja schon witzig... Du hast wirklich sehr sehr...
madove - 19. Jan, 22:00

Über mich

"Ma dove?" ist italienisch und heißt "Aber wo?".
Der "Name" ist eigentlich zufällig an mir hängenge-blieben, paßt aber bestechend:
Ich suche.
Den Sinn des Lebens, meinen Platz in der Welt, meinen eigenen Stil, und eigentlich ständig meinen Schlüsselbund. Bislang mit mäßigem Erfolg, aber unverdrossen.
Um herauszufinden, was ich denke, lese ich gerne hier nach. Dafür muß ich es aber erst schreiben.
Daher das blog.


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