An die Baden-Württemberger unter Euch:

Nicht vergessen: Morgen ist Volksabstimmung über Stuttgart21.

Also genauer: Darüber, ob das Land seine Kündigungsrechte an der Finanzierung wahrnehmen soll. Deshalb bedeutet "JA" den (ersten Schritt zum) Ausstieg aus Stuttgart21, und "Nein" die Fortführung, sehr verkürzt gesprochen.

Aus meiner Sicht ist es in jedem Falle wichtig, abzustimmen, unabhängig von Eurer Position zu dem Projekt. Der ganze Prozess ist ein so interessanter Fall von direkter Teilhabe der Bürger, die sich interessieren, informieren und eine Meinung bilden, welche auch immer, daß ich es konsequent (und wunderbar) finde, wenn wir diese Möglichkeit, Einfluß zu nehmen, auch nutzen.

Ich habe mich lange und intensiv mit dem Projekt beschäftigt, mir u.a. die GANZE Schlichtung ("Faktencheck") angesehen; primär um MIR eine Meinung zu bilden, weniger um hier zu agitieren. Das will ich also auch nicht machen, deshalb nur ganz kurz ... für mich hat sich herauskristallisiert:

--- Der jetzige Bahnhof ist der drittpünktlichste in Deutschland. Was es an Problemen gibt, kommt vor allem daher, daß in den letzten 15 Jahren in Erwartung des Abrisses nicht mehr renoviert wurde. Die Kapazitäten, die S21 laut dem "Stresstest" mit Mühe erreichen kann, wurden in den 70er Jahren mit dem Kopfbahnhof schon gefahren.

--- Die Bauvorhaben stecken voller ekliger Details:

Die Tunnel muß man durch extrem schwieriges Gestein ("Gipskeuper") graben, das bei Kontakt mit Wasser reagiert und sich ausdehnt. Vorhandene kleine Straßentunnel darin schaffen heute schon große Probleme bei der Wartung.

Unter der Baustelle liegen Heilwasservorkommen und Schichten "normalen" Grundwassers. Wenn sich durch das Abtragen der Erde für den unterirdischen Bahnhof der Druck auf diese Schichten verändert, können sie aufsteigen, Schichten löslichen Gesteins druchdringen und dadurch verunreinigt werden.

Für viele der Tunnelmaßnahmen finden sich keine Firmen, die sie durchführen können oder wollen, weil die Technik dafür nicht ausgereift ist. Der erklärte Plan ist, daß die Technik in den nächsten Jahren sicher noch besser wird...

Der unterirdische Platz für den Bahnhof ist begrenzt duch unterirdische Ströme und die Fundamente umstehender Gebäude. Deshalb können die vom Schlichterspruch geforderten 2 zusätzlichen Gleise nicht umgesetzt werden, und schon in der achtgleisigen Form sind die Bahnsteige sehr schmal, sodaß Rollstühle und Kinderwagen dort kaum an den Treppen vorbeikommen.

=> Sowohl beim Bahnhof als auch bei den Tunneln sind in der Planung viele Ausnahmen von Sicherheitsvorschriften beantragt worden, weil es sonst mit Platz, Material und KOSTEN einfach nicht reicht. Und das sind nur die Dinge, die man jetzt schon weiß, noch bevor später der Teufel im Detail steckt, wie bei jedem Bau.

--- Die angeblichen 1,5 Mrd. Kosten des Ausstiegs, mit denen uns gedroht wird, enthalten zwei irreführende Faktoren: Den Rückkauf des Gleisvorfelds, das die Stadt von der Bahn für S21 gekauft hatte, und das die Bahn nun zurückkaufen müßte, mit 459 Mio,
und Ausstiegskosten aus der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm mit 270 Mio Euro, aus der aber niemand aussteigen will und die auch mit dem Kopfbahnhof Sinn macht und gebaut werden soll.

Damit kommt man, je nachdem wer rechnet, auf knapp 300 Mio (Ingenieure 22) bis knapp 700 Mio (Bahnchef Grube).

Das ist immer noch schmerzhaft, insbesondere, weil täglich entgegen aller Vereinbarungen, weitergebaut wird, um weitere Fakten zu schaffen und die Ausstiegskosten zu erhöhen, aber es kann kein Grund sein, dem schlechten Geld noch ein paar Milliarden gutes Geld hinterherzuwerfen, für einen Bahnhof, der mit Glück genauso leistungsfähig ist wie der heutige.

--- Die innenstädtischen freiwerdenden Flächen sind für Neubauten vorgesehen, einen Eindruck davon gibt die neue Stadtbibliothek, in Stuttgart auch liebevoll "Stammheim II" genannt. [Bilder].
Wer im Ernst glaubt, daß neue Bürogebäude die Stadt reich machen werden, dem empfehle ich einen Gang durch die Innenstadt (zB. im Rahmen einer Montagsdemo...) ; sie hängt voller Schilder "Büroflächen zu vermieten". Ein mit Stolz bereits seit einigen Jahren freigewordenes Güterzug-Gleisfeld beherbergt einen großen Schrottplatz. Der Bedarf an Bauland scheint sich dann doch in Grenzen zu halten.

Ich hör dann mal auf, "kurz" hat ja schon wieder nicht geklappt.
Und es gibt noch viel, das Netz ist voll davon:

ZDF - Frontal 21 (Mediathek): "S21 - Verschwiegene Kosten"
SWR: "Stuttgart21 - eine Chronik"
SWR: "Zur Sache Baden-Württemberg - Extra zu S21"
kopfbahnhof-21.de
ingenieure22.de
unternehmer-gegen-s21.de
bei-abriss-aufstand.de
...
..
.
Macht Euch ein Bild - und geht zur Volksabstimmung...

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"Ma dove?" ist italienisch und heißt "Aber wo?".
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Um herauszufinden, was ich denke, lese ich gerne hier nach. Dafür muß ich es aber erst schreiben.
Daher das blog.


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