Ich bin so stolz auf ihn.

Mein Herzallerliebster hat gekündigt, tatsächlich.

Also genauer gesagt hat er seinen Chef aufs polemischste beleidigt, indem er eine email mit Tatsachen geschrieben hat (das soll man aber auch nicht machen, pfui!), und daraufhin wurde ihm, wie er gehofft hatte, die Kündigung nahegelegt. Letztes Mal hatte man noch mit allen Mitteln versucht, ihn zu halten, und er ist durchaus Sklave seines Pflichtgefühls. Bis zu einer gewissen Grenze, und die war jetzt erreicht.

Ich sehe ein, daß das, obwohl er so lange Anlauf genommen, Kraft dafür gesammelt und sich auch danach gesehnt hat, jetzt kein Grund zum Feiern ist, sondern primär eine schmerzliche Niederlage. Ein endgültiges Scheitern an der selbstgestellten Aufgabe, in einem dysfunktionalen Umfeld, dessen Herangehensweise an die Arbeit im allerbesten Falle Gleichgültigkeit war, unter einer auf allen Ebenen korrupten Hierarchie irgendwie etwas rauszureißen, halbwegs seine Aufgabe zu erfüllen, halbwegs diese Dienstleistung zu erbringen.
Es ist ziemlich übel, einsehen zu müssen, daß das wirklich nicht möglich war, insbesondere für jemanden, den ich schon oft habe Berge versetzen sehen.
Es tut glaubich auch ziemlich weh, den allerletzen Glauben in die betreffende Struktur zu verlieren.

Und gerade deshalb finde ich es eine unglaubliche Leistung, sich einzugestehen, daß da nichts zu retten ist und daß es keine Heldentat ist, mit dem sinkenden Schiff unterzugehen. Nachgeben, Aufgeben gehört normalerweise nicht so zu seinen Stärken, und er hat wirklich lange gekämpft, alles probiert, immer wieder Hoffnung und Optimismus aus irgendwelchen Nischen gekramt und nochmal allem eine Chance gegeben, aber die Windmühlen waren stärker.

Der Plan ist jetzt nicht, sofort irgendwas anderes zu suchen. Unter einem Vorgesetzten will er nie wieder arbeiten; guter Plan, er hat schon zuviele verschlissen. Was ihm sonst wichtig ist, wird ein bißchen Zeit brauchen, ans Licht zu kommen, und ich finde, er soll sie sich nehmen.
Alle Zeit der Welt.
Er hat sein Leben lang immer für irgendjemanden geackert, und immer mit vollem Einsatz - ich hoffe echt, er ist noch jung genug, um das Muster aufbrechen und die Freiheit jetzt genießen zu können.

Er ist leider jemand mit einem ziemlich starken materiellen Sicherheitsbedürfnis, und obwohl er noch ein bißchen Mieteinkommen hat, fühle ich die seltsame Verantwortung, jetzt die Alleinverdienerin zu sein, durchaus sehr deutlich - halb als Belastung, halb als Herausforderung.
Für meine Arbeit sinnvoll Geld zu nehmen, ist mir immer schwergefallen, aber nur, weil ich wenig brauchte. Ich funktioniere auf vielen Ebenen seltsam utilitaristisch: Wenn ich das Gefühl habe, jemand anderen (zB den Kunden) macht das Geld grade glücklicher als mich (und das gilt fast immer), dann scheint es mir bei ihm besser aufgehoben.
Jetzt werd ich ein bißchen mehr davon brauchen, also werd ich es mir auch einfordern können. Darauf freue ich mich eigentlich fast.

Vor allem aber freue ich mich darauf, das wichtigste Feature an meinem Mann, das, was damals kaufentscheidend für mich war, wieder öfter genießen zu können - die krassen, tiefgehenden Gespräche und Diskussionen über alles mögliche, mit seinen Standpunkten zu Gott und der Welt, die von meinen normalerweise grade weit genug weg sind, um den Kontakt nicht zu verlieren, aber die Fetzen fliegen zu lassen - und sein völlig ungeschönter Blick auf mich, der ihn für mich immer herausgehoben hat aus der Menge der Männer, mit denen ich zu tun hatte (und der mich in zahlreiche Vorhöllen der Verzweiflung getrieben hat, die sich aber alle langfristig als extrem nützlich erwiesen haben)
Das alles ist aber eine Kraft- und Nervenfrage, und man merkt jetzt schon, wo die Kündigung durch ist, und obwohl die letzten Tage noch Spießrutenlaufen sind, daß die allgegenwärtige Gereiztheit und Nervosität abnimmt: da schimmert schon wieder überall mein Mann durch!

Ich freu mich auf ihn.
Er hat mir schon verdammt gefehlt, die letzten Jahre.
<3
Samuel B. - 7. Jun, 11:41

ja, in der tat, eine schwere, aber stolze und starke entscheidung. sie kostet ne menge mut, weil das kommende eben noch offen ist - aber sie ist daher auch eine ehrliche entscheidung.
es tut weh, etwas hinzuschmeißen, worauf mein eigentlich schon lust hätte, weil die anderen einen einfach auch nicht nur annähernd so lassen, wie man es bräuchte (und könnte). aber es hat keinen sinn, in einer struktur zu verharren, die einem nicht gut tut.
jetzt will ich mal hoffen, dass dein mann mein vorbild wird.

madove - 9. Jun, 11:14

Ja, während ich den post geschrieben hab, hab ich an dich gedacht. Die Arbeit ist eine andere, aber das Ergebnis fühlt sich ganz ähnlich an - etwas, wofür man eigentlich motiviert wäre, was einem aber total verleidet (und verunmöglicht) wird duch eine saublöde Mischung aus Ignoranz und persönlicher Unerträglichkeit, insb. auf der Ebene drüber...
Ich drück dir die Daumen, daß Du auch bald den Absprung schaffst - oder eben sonst eine Lösung, die sich für Dich gut anfühlt...
G u i n a n (Gast) - 7. Jun, 12:09

Gute Sache, das. Ich drück' euch alle Daumen!
Wir haben das Spiel in den letzten Jahren auch schon ein paar mal mitgemacht, den monatelangen Frust, bis es wirklich nicht mehr ging (und man hat ja Familie, da schmeißt man den Job nicht so einfach hin) - und dann die Erleichterung, wenn das Ende sich endlich abzeichnete. Und bei allem Schmerz des Scheiterns, letztendlich war jeder Wechsel schließlich gut für UNS. Dass wir uns dabei vorübergehend finanziell einschränken mussten, das war gegenüber den persönlichen Vorteilen einfach nur nebensächlich.

madove - 9. Jun, 11:02

(Übrigens einer (wenn auch ein nebensächlicherer) der Gründe, warum mir das mit den Kindern nicht so dringend war - ich sehe meine Freunde mit Familie deutlich erpressbarer auf dem Arbeitsmarkt.)
Ja, ab einem gewissen Grad an Verlust der Lebensqualität reicht der Lohn als Schmerzensgeld einfach nicht mehr aus, finde ich. Aber ich habs eh nicht so mit den finanziellen Sorgen - ehrlich gesagt fand ich es sogar fast ein bißchen schwierig, daß er im letzten Jahr SOviel mehr verdient hat als ich, weil das dann doch auf Dauer zu unterschiedlichen Vorstellungen bzgl. Lebensstil führt.
G u i n a n (Gast) - 9. Jun, 14:59

Das mit dem unterschiedlich viel Geld verdienen fand ich immer schwierig, ganz besonders in der Zeit, als ich mich gezwungenermaßen die drei Jahre lang aushalten lassen musste. Umgekehrt war's einfacher. Paare in Hausfrauenehe werde ich nie begreifen.
Einen genau richtigen Zeitpunkt gibt es glaubich für gar nix, weder für's Kinderkriegen noch für''s Kündigen, irgendwas ist immer. Manchmal muss man einfach machen.
rebhuhn - 8. Jun, 11:00

nach den letzten sätzen saß ich gerade breit grinsend auf dem sofa und habe mich für dich [und ihn! unbekannterweise.] gefreut. saudoll. :D

und so eine entschlusskraft, die muss eben schon mal ein weilchen reifen... bei mir auch.

madove - 9. Jun, 10:56

Ja, das hat jetzt wirklich gedauert; schwere Geburt, das.
Aber dafür ist das Grinsen umso breiter! :D
Prisca (Gast) - 11. Jun, 15:57

!

madove - 13. Jun, 22:01

:)

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