Italien III - Autofahren

Ich fahre sowieso eher selten und deshalb nicht übermäßig gut Auto. Auch nicht schmerzhaft schlecht oder langsam, aber vor allem im Zweifel eher defensiv. Und normalerweise ziemlich gerne.

Autofahren in Italien ist für mich dagegen eine echte Qual. Wenn ich allein dort mit dem Auto unterwegs bin, brauche ich einfach SEHR lange. Weil ich an Kreuzungen warte, bis man mich reinläßt, haha. Oder nur die Spur wechsle, wenn da eine Lücke ist, also nie. Und deshalb oft irgendwohin fahren muß, wo ich gar nicht hinwollte.

Noch schlimmer ist es aber, wenn der MannTM mitfährt, der sich (wie fast alle mir bekannten Männer) nicht als Passagier, sondern als Copilot versteht und mir deshalb meistens "Los! Jetzt!" zuruft, wenn da meines Erachtens rein physikalisch kein Reinkommen möglich ist. Überraschenderweise hat er meistens recht. Wenn ich nach ein paar solchen Situationen aber verstanden zu haben glaube, daß man sich halt einfach entschlossen reindrängeln muß, und das versuche, brüllt er "Bist du verrückt? Stop!" und rettet uns damit tatsächlich haarscharf vor einem Blechschaden.
Nach seinem Geheimnnis befragt, hält er einen langen Vortrag darüber, daß man den Verkehr um sich rum beobachten muß (schon klar, das mach ich auch) und auf alles gefaßt sein muß (ja, ja, genau) und die anderen Fahrer psychologisch einschätzen muß, ob die eher nachgeben, wenn man frech ist, oder auf Konfrontation aus sind.

Das löst bei mir, je nach Tagesform, Wutausbrüche oder großen Respekt aus. Psychologisch einschätzen? Fast ohne sie zu sehen? In 3 Sekunden? Ohne mit Ihnen einen Abend lang über ihre Kindheitstraumata gesprochen zu haben? Und die machen das alle so? Wow. Interessantes Hobby.
Aber in der Tat kommt man, vor allem in den größeren Städten, dort anders nicht voran. Ich jedenfalls nicht.

Andererseits ist das Ganze für mich halt ein tolles Beispiel dafür, wie die ganze Gesellschaft dort, spätestens seit Berlusconi, insgesamt organisiert ist ... funktioniert ... existiert. Eventuelle Regeln beachtet man nicht, das erwartet auch keiner, und wer Rücksicht nimmt, ist ein Schwächling. Wer wagt, gewinnt, und wenns schiefgeht, ist es sein Pech (und das all derer, die er dabei plattmacht). Dann versteh ich schon, warum der MannTM so ein Kämpfer ist. Und warum er keine Lust mehr hat, da zu leben.

Ich komme mir, wenn ich dort bin, immer sehr deutsch vor. Kleinkariert, unsicher und regelhörig.
Mich irirtiert zum Beispiel eigentlich am allermeisten, mehr als die lebensmüden Vespafahrer und die ..äh... dynamische Auslegung der Vorfahrt, daß die Autos oft nicht auf den eingezeichneten Spuren bleiben, sondern gerne, auch und gerade bei dichtem Verkehr, auf den weißen Linien fahren. Ein bißchen wie jemand, der versucht, sich mit seinem Einkaufwagen an zwei Kassen gleichzeitig anzustellen. Außerdem ist es irgendwie ehrenrührig, an der Haltelinie einer Ampel anzuhalten, sondern man muß einen halben Meter darüber hinaus fahren, um anzudeuten, wie EILIG man es hat und wie ÄRGERLICH diese rote Ampel jetzt ist. Und dann hängt man mit schiefem Hals an der Windschutzscheibe, weil man sonst die Ampel nicht mehr sieht...
Ach egal.

Jedenfalls alles nicht so einfach.
rebhuhn - 14. Jul, 23:07

das ist ja cool - ähnliche erfahrungen hab' ich da auch gemacht [verwandte auf sizilien, war da öfter..]. meine goldene regel lautet: nie, wirklich niemals blickkontakt zu anderen fahrern aufnehmen! denn sonst wissen die ja, daß du sie gesehen hast ;). auch das funktioniert erstaunlich gut.

und: nicht auf autos, sondern die felgen schauen. da sieht man eher, ob sich ein auto bewegt oder nicht. diese regel stammt allerdings von meinem ex-rennrad-fahrer-freund [lange her ^^], der damit oft seinen hals gerettet hat.

DerDeutsche - 15. Jul, 20:59

In die extrem italienischen Gefilde, also so ab Poebene, sind wir mit Auto nie wirklich vorgestoßen. Ich persönlich kann mich je nach Stimmungslage halbwegs auf die (Psychologie der) Mitverkehrenden einstellen und auch mal flott in die Lücke rauschen. Die Lieblingsfrau zeigt allerdings ähnliche Unsicherheitseffekte, aber ich würde mir lieber die Zunge abbeissen, als heftig belehrend in das Geschehen einzugreifen (außer in vielleicht wirklich kritischen Situationen), da fahren wir auch schon mal einen Umweg, sicher ist sicher. Ich bin kein Edelmensch, das war ein mühsamer Weg. Aber ich weiß auch, wie unangenehm und manchmal auch gefährlich es ist, in unübersichtlichen Situationen belehrt oder gar bekrittelt zu werden.

Trotz allem habe ich in Italien oft den Eindruck, daß viel mehr auf andere geachtet wird, vielleicht weil alle so aufmerksam sein müssen, um zu überleben? ;)

Muriel (Gast) - 8. Jan, 18:27

Ich bin natürlich eigentlich nicht in der Position, deine Erkenntnisse oder die Methodik dahinter infrage zu stellen, aber aus Neugier: Könnte es nicht auch sein, dass der Mann gar nicht so besonders oft richtig lag, wie es dir vorkam?
Ich meine, wie ich dich verstehe, bist du reingekommen, wenn du es auf seinen Ratschlag hin versucht hast, und knapp einem Blechschaden entgangen, wenn du auf seinen Ratschlag hin in letzter Sekunde doch noch stehengeblieben bist.
Mir drängt sich da irgendwie der Verdacht auf, dass umgekehrt eventuell das gleiche Ergebnis rausgekommen wäre, einfach weil solche Sachen nach meiner Erfahrung oft so funktionieren.
Emotional bin ich übrigens mit meinen Auslandserfahrungen komplett bei dir. Und neben dichten Fenstern zeichnet sich Deutschland übrigens auch als das weltweit einzige Land mit funktionsfähigen Papiertaschentüchern aus.
Ich finde deshalb, dass ein gewisser fröhlicher, entspannter National...
Oh.
Nee.
Das doch nicht.
Aber über die Taschentücher freue ich mich jedesmal, wenn ich wieder da bin.

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"Ma dove?" ist italienisch und heißt "Aber wo?".
Der "Name" ist eigentlich zufällig an mir hängenge-blieben, paßt aber bestechend:
Ich suche.
Den Sinn des Lebens, meinen Platz in der Welt, meinen eigenen Stil, und eigentlich ständig meinen Schlüsselbund. Bislang mit mäßigem Erfolg, aber unverdrossen.
Um herauszufinden, was ich denke, lese ich gerne hier nach. Dafür muß ich es aber erst schreiben.
Daher das blog.


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