Muriel (Gast) - 9. Mär, 09:51

Und ungefähr da sehe ich auch die Gefahr in der Propaganda der Gewerkschaften. Sie tun so, als gäbe es einfache Lösungen für komplizierte Probleme, um die gefühlte Hilflosigkeit von Menschen auszunutzen.
Manche Leute können von ihrem Gehalt nicht gut genug leben? Gesetzlich höhere Gehälter erzwingen!
Manche Leute sind in Gefahr, ihre Arbeit zu verlieren? Kündigungsschutzgesetze!
Unternehmen treffen manchmal falsche Entscheidungen? Wir brauchen gesetzlich verordnete Aufsichtsratsposten für unsere Funktionäre!
Das finde ich nicht nur von der Grundhaltung und der Unehrlichkeit her widerlich, sondern auch, weil diese Scheinlösungen in Wahrheit die Probleme verschärfen.
Hm.
Tja.
Ich weiß, ich wollte keine neue Diskussion anfangen. Aber du weißt ja, wie ich bin...

Prisca (Gast) - 9. Mär, 15:55

Ja, und was passiert, wenn "Unternehmen manchmal falsche Entscheidungen" treffen? Was passiert dann dem/den dafür Verantwortlichen? Vielleicht werden sie ja sogar entlassen, mit oder oder goldenen Handschlag. Manchmal stürzen sie dann auch sozial ab - aber das ist meines Wissens eine kleine Minderheit. Ich denke da z.B. an die Verantwortlichen der Finanzkrise...

Vor allem aber frage ich mich, wer diejenigen unterstützt, die die "falschen Entscheidungen" ausbaden müssen - deren Arbeitsplätze dabei dummerweise kaputtgegangen worden sind, deren Firmen an Heuschrecken verkauft worden sind, oder, oder, ... Die müssen dann halt irgendwie klarkommen.... Und sie kriegen ja sicher irgendeine Sozialleistung, auf der sie sich dann ausruhen können...

Wenn das andere (z.B. gesetzliche Mindestlöhne) die Scheinlösungen sind - was sind denn dann die echten Lösungen??? Jeder ist seines Glückes Schmied??? Jedem das Seine???
madove - 9. Mär, 19:54

@Muriel
Ich glaube, um mich brauchst Du Dir keine Sorgen zu machen, ich glaube nicht an einfache Lösungen, und erst recht nicht von Gewerkschaften...
Ich möchte allerdings auch nicht wissen, wie die Arbeitswelt heute ohne den Beitrag der Gewerkschaften aussähe - mir ist nicht klar, wie ein beliebiger Fabrikarbeiter ohne große Alternativen (und mit 10 Arbeitslosen in der Schlange hinter ihm) irgendwie sinnvoll auf Augenhöhe mit seinem Arbeitgeber verhandeln soll.

Aber ich gehe davon aus, daß wir uns auf jedem konkreten sachlichen Punkt, den einer von uns anspricht, relativ schnell einigen könnten, wenn wir unsere Wahnehrmungen und Fakten abgleichen.
Was mich iritiert, ist Deine spontane Wertung; ich finde vieles an Gewerkschaften kritikwürdig, aber zu dem Adjektiv "widerlich" fällt mir alles mögliche ein, aber nicht Arbeitnehmer, die versuchen, angenehme Arbeitsbedingungen und lebensunterhaltsichernde Löhne zu erhalten...?
Muriel (Gast) - 9. Mär, 20:21

@Prisca: Ich sagte ja, es sind komplizierte Probleme. Wenn ich jetzt auch Einwortlösungen anbieten würde, wäre das ein bisschen albern, oder? Aber um beim Beispiel Mindestlohn zu bleiben: Wenn die Arbeit eines Menschen nicht genug wert ist, dass er davon leben kann, löst man dieses Problem nicht, indem man es Arbeitgebern verbietet, diesen geringen zu bezahlen, denn dann wird er nicht mehr eingestellt. Dieses Problem löst man, indem man ihn qualifiziert, Arbeit anzubieten, die zu einem vernünftigen Preis nachgefragt wird, zum Beispiel durch Bildungsangebote und Anreize, diese auch zu nutzen. Es könnte auch helfen, die Produktivität zu erhöhen, indem man die Rahmenbedingungen wirtschaftsfreundlicher gestaltet. Damit meine ich nicht nur die regelmäßig diskutierten Steuern und Abgaben, sondern auch sowas wie Kündigungsschutz, Mitbestimmung, etc. Ich will nicht zu sehr ins Detail gehen, aber so ungefähr.
@madove: Ich halte es für möglich, dass die Gewerkschaften früher einmal eine nützliche Rolle gespielt haben. Ich weiß über diese Zeiten zu wenig, um das beurteilen zu können. Heute erkenne ich das einfach nicht mehr. Ich habe den Eindruck, dass du die Position des Fabrikarbeiters ein bisschen unterschätzt. Wenn man einmal einen guten Mitarbeiter gefunden hat, lässt man ihn nicht so einfach gehen, solange sein Gehalt noch in einem sinnvollen Verhältnis zu seiner Produktivität steht.
Zu meiner Wertung: Ich finde es auch kein bisschen widerlich, dass Arbeitnehmer sich für ihre Interessen einsetzen. Widerlich finde ich Leute, die (siehe oben) so tun, als hätten sie einfache Lösungen, wenn sie in Wirklichkeit nicht einmal das Problem verstehen. Lösungen, die in der Regel darin bestehen, dass der Staat andere Leute zwingt, ihre Forderungen zu erfüllen.
Widerlich finde ich Leute, die jeden, der ihren Forderungen nicht nachgeben will, als schlechten Menschen zeichnen. Widerlich finde ich Leute, die sich auf eine Bühne stellen und rufen: "Wir Kumpels lassen das nicht mit uns machen!" um dann in ihre S-Klasse-Limousine zu steigen und zur nächsten Aufsichtsratssitzung zu fahren, alles bezahlt von den Beiträgen der Arbeitnehmer, denen sie vorspiegeln, einer von ihnen zu sein.
Widerlich finde ich auch solche Taktiken wie die von Ver.di, die Arbeitnehmer dazu aufruft, in Supermärkten Einkaufswagen vollzupacken, um sie dann im Laden stehen zu lassen.
Mir fiele noch ganz vieles ein, aber vielleicht höre ich langsam mal wieder auf.
Ich bin sicher, dass viele Gewerkschafter total nette Leute sind, die es mit ihrem Engagement wirklich ehrlich meinen und auch viel Gutes tun. Wie viele Geistliche übrigens auch. Trotzdem finde ich die gesamte Organisation in ihrem Auftreten und ihren Auswirkungen auf die Gesellschaft scheußlich.
madove - 9. Mär, 22:41

Mit "wirtschaftsfreundlicher" und den Begriffen Kündigungsschutz und Mitbestimmung meinst Du dann abschaffen/verringern, oder? Hurra!
Und Qualifizierung ist was Tolles, aber ich kenne auch eine Menge Akademiker 8und nicht nur unnütze Geisteswissenschaftler), die ihre Familien nicht sinnvoll ernähren können. Und wie ist das prinzipiell vorgesehen mit den Teilen der Bevölkerung, die halt doch nicht so helle/gebildet sind und nicht den super Facharbeiter machen können, sondern im Niedriglohn- und Zeitarbeitssektor hängenbleiben? Und vor allem: In sozialversicherungsbeitragssparenden Minijobs? Wovon soll dann die Gesellschaft den Niedriglöhner den Lebensunterhalt aufstocken, was ja iyo nicht Aufgabe der Unternehmen ist?
Eigentlich kocht sich das doch wieder runter auf dei Frage: Sind die Menschen als Arbeitskräftemarkt für die Wirtschaft gedacht, oder ist die Wirtschaft dazu da, die Bedürfnisse der Menschen zu erfüllen? Im Idealfall schließt sich das nicht aus, aber man kann da sehr verschiedene Schwerpunkte setzen, und die setzen wir wohl unterschiedlich...
Muriel (Gast) - 9. Mär, 22:59

Ich würde die Institutionen Kündigungsschutz und Mitbestimmung abschaffen, ja. Und ich bin davon überzeugt, dass es auch für Arbeitnehmer von Vorteil wäre. Natürlich für manche mehr und für manche weniger (namentlich zum Beispiel für die, die diese Institutionen jetzt auf Kosten ihrer Kollegen ausnutzen). Was ich mir als Kompromiss ganz gut vorstellen könnte, wäre eine "Just Cause"-Regelung wie in manchen Bundesstaaten der USA, die Gerichten die Möglichkeit gibt, zu überprüfen, ob der Arbeitgeber einen vernünftigen Grund für seine Kündigung hatte. Aber unser Konzept mit enumerativ gesetzlich aufgezählten Gründen, mit Sozialauswahl usw. ist eine Krankheit.
Du fragst, wovon die Gesellschaft die Niedriglöhner bezahlen soll. Wovon sollen es die Unternehmen? Ich finde die Frage wirklich sonderbar. Was ein Unternehmen für eine Arbeitsleistung zu zahlen bereit ist, bestimmt sich nach der Produktivität dieser Arbeit, nicht nach dem Bedarf dessen, der sie erbringt. Wenn ich überlege, ob ich mein Auto selber repariere oder in die Werkstatt bringe, gehe ich doch auch nicht danach, ob der Mechaniker mehr Geld braucht oder nicht. Und was dazu kommt: Die Leute, deren Arbeit weniger wert ist als der Mindestlohn, bekommen ihn dann nicht. Sie bleiben Arbeitslos, und dann muss die Gemeinschaft ihren Lebensunterhalt nicht aufstocken, sondern ihn komplett bestreiten.
Die Frage, auf die deiner Meinung nach alles hinausläuft, halte ich für falsch gestellt. Wirtschaft ist die Summe der Interaktionen von Menschen. Sie existiert nicht als ein monolitischer Block mit einer bestimmten Funktion. Aber um trotzdem auf diese meiner Meinung nach nicht ganz glückliche Frage einzugehen: Ich bin überzeugt, dass die Bedürfnisse der Menschen umso schlechter erfüllt werden, je mehr man durch obrigkeitliche Gängelung den Markt verzerrt und den Menschen die Freiheit nimmt, selbst zu entscheiden, wie sie ihr Geld investieren wollen.
(Ich sage mal nichts zu den von dir erwähnten Akademikern. Nicht, weil sie mir egal wären, oder weil mir das Argument nicht gefällt, sondern weil ich nichts über sie weiß und ihre Situation deshalb nicht beurteilen kann.)
madove - 10. Mär, 20:04

Irgendwie kommen wir nicht zusammen. Für mich argumentierst Du auf einer ganz anderen Ebene; ich kann nicht alles nachprüfen und widerlegen, was du schreibst, aber ich zweifle massiv die Überzeugung an, daß mit weniger lästigen Arbeitnehmerrechten die Unternehmen automatisch mehr Leute einstellen, viel produktiver werden und einen wunderbaren Wohlstand über uns ausschütten werden.
Aber vor allem, und das scheint mir entscheidend, will ich das auch gar nicht haben. Und darum geht es mir. Wenn irgendetwas nicht in Einzelfällen passiert, sondern massiv und gesellschaftsprägend, dann muß die Gesellschaft sich meines Erachtens fragen, ob sie das will und ob Regeln nötig sind.
Und "die Wirtschaft" ist natürlich nicht monolithisch, aber es grift imho auch zu kurz, zB einen mies bezahlten, befristeten Arbeitsvertrag zwischen Egon Müller und einer von Daimler angeheuerten Zeitarbeitsfirma als einen einzelnen Vertragsakt zweier freier Marktakteure zu bewerten, während der eine seine Familie ernähren muß und der andere "nur" versucht, die Dividende seiner Aktionäre hochzutreiben.
Wenn ein Unternehmen bestimmte Waren und Dienstleistungen tatsächlich nicht anders produzieren KANN als mit Niedriglohnjobs (oder, um andere Bereiche mit "Gängelungspotential" zu nennen: mit Umweltverschmutzung, Massentierhaltung etc.) , dann kann es, sorry, meines Erachtens diese Waren eben nicht produzieren. Vielleicht kann es jemand anderes, der geschickter wirtschaftet oder bereit ist, weniger Profit zu machen, oder wir alle müssen eben mehr dafür bezahlen. Oder es kann bestimmte Dinge eben nicht geben. Die Parameter dessen, was gesellschaftlich erwünschtes oder inakzeptables Handeln ist, sind meines Erachtens Objekt einer politischen Entscheidung, und meine Meinung dazu ist im Detail sicher nicht mehrheitsfähig. Aber ich höre aus Deinen Stellungnahmen primär heraus "das ist halt Pech, das muß halt so", und das bestreite ich.
Muriel (Gast) - 10. Mär, 22:48

Du hast Recht, wir reden partiell aneinander vorbei. Wir haben zwei sehr große Differenzen, denke ich. Die eine betrifft die Auswirkungen von Vorschriften, die wir sehr unterschiedlich einschätzen. Da können wir uns beide informieren und überprüfen, ob wir unsere Meinung für berechtigt halten. Mich würde zum Beispiel interessieren, ob du irgendwie belegen kannst, dass zwangsmaßnahmen wie Kündigungsschutz, Mindestlohn oder Mitbestimmung irgendwelche Probleme gelöst haben oder in irgendeiner Hinsicht eine messbare Verbesserung bewirkt hätten. (Hinweis. Umwelt- und Tierschutzmaßnahmen fallen in eine andere Kategorie, gegen die habe ich grundsätzlich nichts.)
Die zweite ist schwieriger. Sie betrifft das Recht der Gesellschaft, Individuen Vorschriften zu machen. In diesem Punkt gibt es wahrscheinlich wenig zu überprüfen, denn hier haben wir einfach unvereinbare Wertvorstellungen.
Wenn jemand bereit ist, für niedriges Gehalt zu arbeiten, finde ich es inakzeptabel, ihm das zu verbieten und ihm vorzuschreiben, dass er dann eben arbeitslos zu bleiben hat.
Und von der Mitbestimmung fange ich gar nicht erst an, denn da könnte ich mich dermaßen drüber aufregen, dass ich am Ende einen schlechten Eindruck hinterlassen würde, und das möchte ich nicht.
Nur eins vielleicht noch: Dieser Spruch, es ginge ja "nur" um eine höhere Dividende für Aktionäre, gehört zu derselben Kategorie moralistischer Simplifizierung, an die ich auch beim Thema Gewerkschaften gedacht habe.
Erstens entscheidet die Produktivität und Effizienz von Unternehmen eben auch darüber, welche Gehälter sie zahlen können, wieviel Steuern, und vor allem, wie gut sie die Gesellschaft mit den Gütern und Dienstleistungen versorgen können, die wir brauchen. Das Geld, das dabei im Spiel ist, ist dafür nur ein Indikator. Im Grunde geht es um möglichst effiziente Allokation von Ressourcen, und die entscheidet letzten Endes darüber, wie gut, wie lange, wie gesund und wie bequem wir alle leben können und (um bewusst ein emotional besetztes beispiel zu wählen) ob wir es uns zum Beispiel leisten können, Leute mit Nierenerkrankung an diese maßlos teuren Dialysemaschinen anzuschließen, oder ob sie einfach sterben müssen. Das hängt alles zusammen, und wer dann sagt: Na gut, dann können wir eben keine S-Klasse mehr kaufen, und die Aktionäre kriegen ein bisschen weniger Dividende, dafür kann der arme Fließbandarbeiter aber besser leben, der versteht das meiner Meinung nach einfach nicht.
Zweitens (und dann komme ich auch wirklich langsam zum Ende) kostet eine Daimler-Aktie zurzeit rund 50 Euro. Was bringt dich auf die Idee, dass die Aktionäre keine Familien haben, die sie ernähren müssen? Nicht nur Arbeitnehmer geraten in Schwierigkeiten, wenn sie zu wenig verdienen. Ich kenne genug Unternehmer, deren Einkommen weit unter dem eines durchschnittlichen Daimer- oder VW-Fließbandarbeiters liegen.
So. Jetzt bin ich doch ein bisschen emotional geworden. Ich weiß nicht, ob es was nützt, aber ich würde gerne noch hinzufügen, dass ich durchaus verstehe, dass du es gut meinst, und dass ich deine Motivation auch gut nachfühlen kann.
Weil ich aber überzeugt bin, dass die von dir vorgeschlagenen Maßnahmen in vieler Hinsicht schädlich wären, ist meine Argumentation vielleicht hier und da ein bisschen zu scharf geraten.
Ich hoffe, dass du das nicht persönlich nimmst und bitte um Verständnis.
madove - 11. Mär, 20:13

Ich wollte nur ganz kurz...

1) Die meßbaren Wirkung der gesetzlich oder gewerkschaftlich durchgesetzten "Zwangsmaßnahmen" sehe ich in dem Unterschied in unseren Arbeitsbedingungen im Vergleich zu den Zuständen in China oder Bangladesh, oder den Zuständen zur Anfangszeit der industriellen Revolution.
2) Ich habe befürchtet, daß ich mit dem Dividendenhalbsatz so platt nicht durchkomme, also nochmal konkret:
a) Meine unangemessene Vereinfachung meinte den Siemens-Effekt, also Vorstandsgehälter 30% erhöhen und 5Mrd. Gewinn nach Steuern, und dann großflächig Lohnkürzungen. wie man das halt macht. Natürlich gibt es die kleinen und mittelständischen Unternehmer, die jeden Monat kämpfen um am Markt zu bleiben, (...einige meiner besten Freunde... bla...). Aber ich bin sicher, dem könnte man auch gesetzgeberisch Rechnung tragen, mir geht es um die ZIELsetzung Arbeitnehmerschutz.
b)Ich sehe sehr wohl einen Unterschied zwischen jemandem, der seinen Lebensunterhalt zumindest teilweise aus der Rendite seines Kapitals, das er in Daimler-Aktien angelegt hat, bestreiten kann, und jemanden, der das ausschließlich in abhängiger Erwerbsarbeit muß. Wenn Deinem Kleinanleger die Aktie nichts bringt, kann er immer noch arbeiten gehen.
3) Soviel zur Arbeitsmarktpolitik, jetzt noch schnell die Vorschriften der Gesellschaft gegenüber Individuen im Allgemeinen:
Ich kann das zu einem großen Teil nachvollziehen und sympathisch finden. Ich denke nur, neben der freien Vereinbarung zweier Individuen, wo die Gesellschaft erstmal nicht reinzureden hat (und da würde ich Dir auch bei den kruderen Beispielen aus deinen Blog wie dem Sklavenvertrag und dem Kannibalendings sogar zustimmen) gibt es doch auch so etwas wie Ausnutzung einer Zwangslage, finde ich. Du kannst zB kein Spenderherz von jemandem kaufen, der Dir seins anbietet, um mit dem Geld seine Familie zu retten. Indem die Gesellschaft nicht nur dir, sondern auch ihm dieses Geschäft verbietet, übernimmt sie natürlich auch Mitverantwortung für ihn und seine Zwangslage, und das wiederum sollte meines Erachtens langfristig zu einer Verbesserung führen. Also wenn ich jetzt sofort alle Kinderarbeit überall verbiete und das auch durchsetze, dann entsteht ein unglaublich großes, SICHTBARES Problem, dem die Gesellschaft sich stellen muß, und das würde ich als den größten Vorteil sehen.
Und wenn wir nur durch Ausbeutung eine Dialysemaschine haben könnten, dann finde ich tatsächlich, wir können keine haben. (Mit gesunden Nieren sagt sich das zugegebenerweise leichter). Aber vor allem bin ich optimistisch. daß wir auch mit menschenwürdigen Arbeitsbedingungen im Wohlstand leben können.

Achja, danke für den letzten Abschnitt, der meinem Harmoniebedürfnis sehr entgegenkommt. Ich kann ihn wörtlich so zurückgeben....
Muriel (Gast) - 12. Mär, 10:36

Ich hasse diese Captchas.
Jetzt habe ich mich da vertippt, und mein Kommentar ist weg. Der war lang. Nun muss ein kürzerer genügen:
Erstens habe ich mich für meinen letzten Kommentar entschuldigt. Der war doof.
Zweitens finde ich den Vergleich zwischen China und Deutschland wenig erhellend. Das ist ein bisschen wie Äthiopien zum Vergleich heranzuziehen und daraus zu schließen, dass unser Lebensmittelrecht toll sein muss, weil hier kaum jemand verhungert. Zumindest kann man aber wohl nicht behaupten, dass Chinas Probleme auf mangelnder Eingriffsbereitschaft des Staates und grassierender individueller Freiheit fußen.
2.a) Was hat der Gewinn des Unternehmens mit den Gehältern zu tun? Wenn ich mir die Haare schneiden lasse, richtet sich der Preis doch auch nicht nach meinem Einkommen, sondern danach, was mir diese Leistung wert ist und wie das Marktniveau für Haarschnitte liegt.
b) Wer nicht genug Geld mit seiner Arbeit verdient, kann auch Daimler-Aktien kaufen. Das Argument bringt uns nicht weiter. Arbeitseinkommen ist per se nicht moralischer als Kapitaleinkommen, und mich stört eben, dass Gewerkschaften hierzulande gerne so tun, als müsse man ein Scheusal sein, wenn man die Interessen von Leuten betritt, die letzteres beziehen, während jeder, der sich gegen die Interessen von Arbeitnehmern stellt, das inkarnierte Böse sein muss.
3. Ausbeutung. Sehe ich nicht. Es gibt auch schon Vorschriften dagegen, und das BAG hat (unsinnig) strenge Regeln zum Lohnwucher aufgestellt. Wo gibt es in Deutschland systematisch menschenunwürdige Arbeitsbedingungen?
So. Ich hatte diesen Kommentar eigentlich viel freundlicher formuliert und ausführlicher Begründet, aber es hat nicht sollen sein. ich kann mich dann ja nächstes mal wieder entschuldigen. Seufz.
madove - 13. Mär, 10:25

Das ist nicht nett von den Captchas...
Es kommt aber meinem Bedürfnis entgegen, diese Diskussion hier allmählich einschlafen zu lassen; Grund ist erstens mein Harmoniebedürfnis und zweitens der (nicht überraschende) Eindruck, daß sich keiner von uns einen Millimeter bewegen wird.

Ich muß aber noch ganz kurz nachtreten zu zwei Punkten:

#China: Zumindest in dieser Kürze ist das albern: Ich bin ja nicht prinzipiell der Ansicht, daß staatliche Zwangsmaßnahmen jeder Art die Welt besser machen, sondern nur, wenn der Staat etwas durchsetzt, was ich für sinnvoll halte. Und ich hatte nicht den Eindruck, daß China großen Wert darauf leget, Arbeitgeber mit strengem Arbeitnehmerschutzgesetzen zu gängeln... Dein Äthiopien-Argument finde ich besser, trotzdem muß ja irgendjemand den Arbeitnehmerschutz, den wir im Ggs zu China und 1900 haben, durchgesetzt haben.

2b ist entweder absurd oder zynisch. WOVON soll mein arbeitsloser Arbeitnehmer bitteschön Aktien kaufen?

Und sonst so:
Du brauchst Dich nicht zu entschuldigen. Ich versuche zu verstehen, wie jemand, den ich, soweit ich das beurteilen kann, sehr schätze und mag, auf einem völlig anderen Planeten lebt als ich, und ich dank Dir für die Geduld, mit der Du es erklärst.
Für mich liegt der Knackpunkt in der Marktlogik, die Dir ein Naturgesetz zu sein scheint, und mir bestensfalls ein in der Realität nicht anwendbares zynisches Konstrukt, aber Du nährst meine Gedanken und Zweifel und ich hoffe, Deine zu nähren (zweifle aber daran), und damit ist es wohlgetan, oder so.
Muriel (Gast) - 13. Mär, 15:21

Ha! haha! Juhuu!
Das mit dem Captcha ist wieder passiert, aber diesmal habe ich in der letzten Sekunde (Er lud schon!) noch daran gedacht, meinen Text zu kopieren. Das war knapp. Hier ist also mein Kommentar, diesmal ohne dumme Ausrede:
Gut, dann machen wir es kurz.
Ich glaube, die Diskussion krankt auch ein bisschen daran, dass sie vielleicht zu abstrakt ist. Wenn wir wirklich vorankommen wollten, müssten wir wohl über konkrete Probleme reden und diskutieren, wie genau wir uns die Lösungen dafür vorstellen, statt einfach zwei Weltsichten gegenüberzustellen und immer wieder willkürlich Beispiele herauszugreifen.
China: Dass früher einmal solche Regelungen und auch der Einsatz von Gewerkschaften gut gewesen sein könnten, habe ich schon eingestanden. Ich weiß es nicht.
In der heutigen Situation sehe ich eher schädliche Wirkungen z.B. von Mindestlohn, der in Frankreich meines Wissens ein echtes Beschäftigungsproblem bei Berufseinsteigern geschaffen hat. Und die USA und Großbritannien scheinen mir trotz Mindestlohn auch keine rechten Arbeitnehmerparadiese zu sein.
Hier würde ich mich wirklich sehr dafür interessieren, falls du Gegenbeispiele hättest, die aus Ländern stammen, die mit Deutschland eher vergleichbar sind.
Dass wir uns beide keinen Millimeter bewegen, liegt (hatte ich ja gerade schon erwähnt) sicherlich auch daran, dass wir bisher keine Belege vorgebracht haben oder großartige Überzeugungsversuche unternommen, sondern eher den eigenen Standpunkt erklärt haben.
2b) Es war als absurdes Beispiel gedacht, und ich finde es kaum weniger absurd als deinen Vorschlag, wer mit seinen Investitionen nicht genug verdiene, könne ja arbeiten gehen. Müssen wir aber nicht ausdiskutieren.
Was die Marktlogik angeht, würde ich gerne noch kurz zweierlei erläutern (Da geht mein Vorsatz, mich kurz zu fassen.):
Erstens habe ich den Verdacht, dass du mit dem Begriff "Marktlogik" etwas anderes meinst als ich, wenn ich von Marktprinzipien und Marktwirtschaft spreche.
Zweitens würde ich gerne betonen, dass ich es nicht gut und richtig finde, dass manche Leute ein so niedriges Einkommen erzielen, dass es nicht mal mehr für eine Daimler-Aktie reicht (Das ist jetzt ein bisschen albern formuliert, aber nicht als Seitenhieb gemeint. Mir fiel nur gerade eben nicht ein, wie ich diesen Satz sinnvoll zu Ende kriege.)
Ich hatte bei unserer ersten Kommunismus-Diskussion ja schon geschrieben, dass ich wahrscheinlich im Großen und Ganzen ungefähr die gleichen Probleme sehe wie du und nur die Lösungen, die dir vorschweben, für unwirksam oder sogar schädlich halte.
Insofern wiederhole ich zum Schluss jetzt noch mal: Auch wenn ich selbst bisher zu bequem war, überzeugende Belege für meinen Standpunkt anzuschleppen (Nicht, dass meine Kommentare nicht eh schon lang genug gewesen wären...), bin ich gerne bereit, meine Meinung zu ändern, falls du welche für deinen anbieten möchtest.
Soviel zum Kurzmachen. Naja, es ist ja Sonntag.

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"Ma dove?" ist italienisch und heißt "Aber wo?".
Der "Name" ist eigentlich zufällig an mir hängenge-blieben, paßt aber bestechend:
Ich suche.
Den Sinn des Lebens, meinen Platz in der Welt, meinen eigenen Stil, und eigentlich ständig meinen Schlüsselbund. Bislang mit mäßigem Erfolg, aber unverdrossen.
Um herauszufinden, was ich denke, lese ich gerne hier nach. Dafür muß ich es aber erst schreiben.
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