Mittwoch, 18. April 2012

Vatersachen

Muriel hat einen wirklich schönen Text über seinen vor einiger Zeit verstorbenen Vater geschrieben.

Ich schlage mich mit meinem noch rum - meistens sehr liebevoll, zunehmend auch kritisch, aber unser Verhältnis ist sehr eng und weitestgehend sehr schön (mir fiele auf Anhieb NICHTS ein, worüber ich mit meinen Eltern nicht reden könnte. Meine größte Angst wäre vielleicht die Enttäuschung, wenn sie nur eine eher desinteressierte oder unqualifizierte Antwort hätten).
Trotzdem, oder gerade wegen der Nähe, hat seine Persönlichkeit mich sehr geprägt, und nicht nur im positiven Sinne. Denn wie alle Menschen ist natürlich auch mein Vater kompliziert, und ich habe viele Dinge von ihm gelernt, durch sein Vorbild - aber auch, indem ich als Gegenüber die Form angenommen habe, die neben ihm im Raum noch frei war, und ein bißchen auch das geworden bin, was seine Bedürfnisse erfüllt. Und natürlich auf vielen Gebieten auch durch Abgrenzung und Eben-grade-das-Gegenteil-machen.

Söhne:
Was mir auffällt, ist, daß ich keinen Mann (nach längerem Nachdenken:)nur einen Mann in meinem Freundeskreis habe, der ein nettes und entspanntes Verhältnis zu seinem Vater hat.
Mein Liebster spricht mit seinem seit knapp 20 Jahren nicht mehr - er probiert es alle paar Jahre mal wieder, aber sie haben sich so dermaßen überhaupt nichts zu sagen, und das auf eine ziemlich unangenehme Weise.
Die Mehrheit der Männer, mit denen ich näher zu tun hatte, haben einen Vater, der in ihnen durch eine unterschiedlich dosierte Mischung aus Desinteresse und Erwartungen/Abwertung den Eindruck hinterlassen hat, sie wären halt eine große Enttäuschung für ihn, und deshalb liebe er sie nicht. Sie quittieren das dann oberflächlich mit Wut und Desinteresse und strampeln sich jahrzehntelang an diesen Themen ab, um dem Vater zu beweisen, daß sie doch was taugen. Oder machen genau das Gegenteil.
Und heulen vor Fernsehserien, wenn ein Vater seinem Sohn sagt, daß er stolz auf ihn ist. ALLE!
Also alle Männer, mit denen ich je solche Fernsehserien gesehen habe. Das sind vielleicht zehn...

(Achja, natürlich ist das alles nicht repräsentativ und keine soziale Studie, und ich bin ja auch eine bestimmte Art Mensch, kann gut sein, daß ich mir eine bestimmte Art Männer aussuche und von ihnen ausgesucht werde. Aber es scheint zumindest ein verbreitetes Phänomen zu sein.)

Vor ein paar Jahren hätte ich zu Töchtern&Vätern noch nur verwundert sagen können, daß da meiner Wahrnehmung nach eigentlich alles prima ist - meine weiblich sozialisierten Bekannten kamen eigentlich alle ziemlich gut mit ihren Vätern aus und sind irgendwann mit Mitte zwanzig auch aus den kleineren Eifersüchteleien/Bevormundungskämpfen mit ihren Müttern rausgewachsen. Eitel Sonnenschein, bis auf leichtes Genervtsein manchmal.

In den letzten Jahren entdecken aber viele von uns, unabhängig voneinander, daß es einfach deshalb mit den Vätern so friedlich war, weil wir uns eben doch auf vielen Gebieten relativ erwartungskonform verhalten haben: im Endeffekt doch immer nett und niedlich und brav und fleißig waren, (von einem zu kurzen Rock oder einem "falschen" oder zu frühen Freund mal abgesehen, davon berichten tatsächlich viele. Das war jetzt bei mir kein Problem).
Bei den Töchtern, so scheint mir, kommt das Problem eher auf, wenn sie dann mal wirklich groß sind, der Mädchen-"nette junge Frau"-Rolle entwachsen, tatsächlich entdecken, was sie wollen, und das auch machen. Dann kühlt das Verhältnis oft merklich ab. Also jetzt so.

Ich habe den Eindruck, daß Mütter nur dann ein Problem sind, wenn sie echt ein Problem sind. Also es gibt ein paar Leute mit echt psychopathischen Müttern in meinem Umfeld, und die hinterlassen dann natürlich auch Spuren, aber sonst hab ich den Eindruck, daß Mütter bestenfalls dazu neigen, einem auf die Nerven zu gehen, aber wenige meiner Bekannten beiderlei Geschlechts wirklich dramatische offene Rechnungen mit ihren Müttern haben.

Ich frage mich schon, was das für ein Phänomen ist (und, ob es überhaupt ein Phänomen ist und nicht einfach ein statistischer Ausreißer in meinem Umfeld).
Auch 30 Jahre später, im Gespräch mit Männern, die jetzt im Väteralter sind und die sich viel mehr auf Familie und Kinderhaben einstellen und aktiver und bewußter daran teilnehmen (wollen), beobachte ich ganz oft ein imho fehlendes Bewußtsein dafür, daß Kinder a) noch klein und b) eigene Menschen sind.

Das wird jetzt kein Gutmenschenartikel über gewaltfreie, antiautoritäre Kindererziehung - ich will unter anderem deshalb keine Kinder, weil ich in Erziehungsfragen so VÖLLIG verunsichert bin (ich habe noch nie eine gelungene Erziehung gesehen), daß ich es mir nicht zutraue. Also trau ich mir auch kein wirkliches Urteil zu.

Aber die Vorstellung, daß man bei einem Kind nur auf die richtigen Knöpfe zu drücken braucht, und daß es sich dann so verhält, wie man es sich vorstellt, und zwar möglichst sofort (völliges Unverständnis, warum der Dreijährige schon wieder den gleichen Fehler macht: Ich hab es ihm doch schon zweimal erklärt!!!), scheint mir vor allem bei Männern sehr präsent zu sein. Die Knöpfe haben sich geändert, man(n) prügelt jetzt nicht mehr mit dem Gürtel, sondern ist zugewandt und fördernd, aber wenn das Produkt dann mit 2, 6, 10 Jahren bei irgendwas nicht funktioniert oder mit 6, 10, 16 Jahren wirklich eine eigene Persönlichkeit entwickelt, reagieren doch viele Väter überrascht bis beleidigt und ziehen sich entweder zurück oder probierens doch mit (heute eher verbaler oder psychischer) Gewalt.

Eigentlich ist es kein Wunder: Frauen haben in ihrer Biografie Jahrzehnte Vorsprung, um sich an den Gedanken des Umgangs mit Kindern zu gewöhnen (das ist ab Alter 0 dank Puppen ein Bestandteil unseres täglichen Lebens, während ich kaum einen Mann kenne, der vor 20 auch nur einmal drüber nachdenken mußte), und die kriegen es auch bei weitem nicht immer hin.

Wie seht Ihr das?
Hab ich mich in einer Nische festgebissen? Waren/sind eure Väter auch so? Oder ist die Mutter viel schlimmer? Oder liegts an was völlig anderem?

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Über mich

"Ma dove?" ist italienisch und heißt "Aber wo?".
Der "Name" ist eigentlich zufällig an mir hängenge-blieben, paßt aber bestechend:
Ich suche.
Den Sinn des Lebens, meinen Platz in der Welt, meinen eigenen Stil, und eigentlich ständig meinen Schlüsselbund. Bislang mit mäßigem Erfolg, aber unverdrossen.
Um herauszufinden, was ich denke, lese ich gerne hier nach. Dafür muß ich es aber erst schreiben.
Daher das blog.


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