Empfangsbestätigung

Es kommt relativ häufig vor, daß Menschen an mich hin reden.

Gerade unter meinen Kunden sind viele (liebe!) ältere Menschen mit einem signifikanten Mitteilungsbedürfnis, aber auch sonst habe ich einige Freunde und Bekannte, die ein bißchen zu einseitigem Labern neigen. Und auch der Mann verfällt öfter mal in längere ungebetene Vorträge, vor allem, wenn er sich über italienische Politik oder seinen Arbeitsplatz äußert...

Ich kann das wirklich nicht gut ab. Ich möchte fast sofort in die Auslegeware beißen und bekomme sehr bildhafte Gewaltphantasien, und frage mich dann immer, woran das liegt.

Rein inhaltlich schwankt die Qualität dessen, was man mir erzählt, natürlich deutlich.
Aber oft liegt sie eigentlich nicht unter dem, was ich den ganzen Tag begeistert konsumiere: Radiobeiträge (gerne zB auch so was wie "Erlebte Geschichte", wo ein älterer Mensch eine Stunde lang einfach aus seinem Leben erzählt), Podcasts und (oft private) Blogs.

Ich denke, es hat zwei Aspekte: Einer ist, daß ich mich oft nicht respektiert fühle und den Eindruck habe, die erzählende Person würde nicht merken, wenn ich tot vom Stuhl falle, sondern einfach weiterreden - das gilt aber doch für einen Radiobeitrag genauso?!

Und der andere Aspekt ist das aktive Zuhören.
Ich empfinde es als meine "Pflicht", jemand (Nettem), der mir etwas (ihm...) Wichtiges erzählt, den Eindruck zu geben, daß es mich interessiert. Ich schaue ihn also an, nicke, stimme ggf zu, stelle möglichst interessante Gegenfragen und gebe mir insgesamt Mühe, das Ganze sich wie ein gutes Gespräch anfühlen zu lassen. Das ist Arbeit. Und dafür hab ich nicht immer Kraft und Lust, und ich möchte, daß das berücksichtigt wird und man diese Dienstleistung nicht unmäßig und rücksichtslos in Anspruch nimmt.
Und das entfällt völlig bei den von mir konsumierten Medien, weil denen egal ist ist, ob ich kurz ein Nickerchen mache, während sie reden. Was ich extrem entspannend finde.

Ich denke also, ich müßte lernen, gleichgültiger zuzuhören.
Aber eigentlich will ich das nicht, ich finds nämlich extrem unhöflich.

Ich finde, die anderen sollten einfach mal die Klappe halten.

Aber ich ahne schon, so läuft das nicht.

Wie geht Ihr mit Leuten um, die ihr eigentlich mögt, die Euch aber zuschwallen?
Stört Euch das? Zeigt Ihr das? Hilft es?
cu ruadh - 27. Jun, 10:18

Es ergeht mir ähnlich ...

... wie Dir - ich finde, jemand, der mir etwas berichten möchte, hat ein Anrecht darauf, zugehört zu bekommen. Das ist manchmal anstrengend, denn wenn Du Dir Mühe beim Zuhören gibst, fühlen sich die Leute wohl dabei, sich bei Dir auszuschwallen, und tun es gern wieder.

Manchmal empfinde ich das als sehr störend, ja. Vor allem dann, wenn ich eigentlich mit anderen, auch wichtigen Dingen beschäftigt bin, die mich sehr in Anspruch nehmen. Je nachdem, wie gut ich den Redner kenne (und zugegebenermaßen auch nach Tagesform), gebe ich höfliche Signale oder sage ganz direkt, daß ich dafür jetzt keine Zeit habe und man noch ein halbes Stündchen warten möge.

Und nein, es hilft fast nie. Als einzige wirklich funktionierende Verfahren habe ich bislang Ignorieren und schroffes Abweisen ermittelt. Das macht mir regelmäßig keine Freude, denn ich mag es nicht, unhöflich zu sein/sein zu müssen.

(Entschuldige, jetzt hab ich Dich auch zugeschwätzt ... Aber Du hattest gefragt!)

madove - 29. Jun, 07:28

Danke für den Kommentar! :o)

Nein, das gilt nicht als zugeschwätzt - erstens hatte ich ja tatsächlich gefragt, und zweitens ist das ja grade das Tolle beim Lesen - ich kann das lesen, wann ich will, und antworten, wann und wie ich will.

Ignorieren und schroffes Abweisen habe ich auch schon probiert, aber abgesehen davon, daß ich mich dabei ziemlich schlecht fühle, finde ich total faszinierend, daß es oft auch nicht hilft. Und dann bei mir einen extremen Hass auf die Person auslöst, von der ich vorher dachte, sie ist nur ein bißchen plapperhaft, und bei der Gelegenheit erfahre, das sie ein RIESENARSCH ist (weil sie nicht nur meine subtil zu erratenden, sondern auch meine laut und deutlich geäußerten Bedürfnisse ignoriert). Ich müßte dann so viele Leute hassen, das ist anstrengend.
G u i n a n (Gast) - 29. Jun, 13:41

In der Partnerschaft gehört das gegenseitige aktive Zuhören zu den ehelichen Pflichten, finde ich. Wem sonst soll man denn die Sachen, die einen beruflich beschäftigen, erzählen? Oder bei wem über die nervigen Kollegen ablästern? Da muss schon der Partner herhalten, auch wenn es den eigentlich herzlich wenig interessiert. Manches kann man selbst der besten Freundin nicht anvertrauen, und manches möchte man der wegen der extremen Langweiligkeit für Außenstehende auch gar nicht antun.
Bei allen anderen regelmäßigen Zutextern bin ich da weniger nachsichtig. Ich sage auch schon mal ganz freundlich einem Kunden, ich hätte jetzt noch einen eiligen Auftrag zu erledigen. Und notfalls fange ich dann wirklich an damit, wenn es nicht anders geht. Meist reicht aber schon konsequenter Einsatz von Körpersprache.
Besonders nervig finde ich, wenn mir etwas zum Wiederholten Mal erzählt wird. Danke, ich habe ein sehr gutes Gedächtnis. Das zeige ich dann auch, indem ich Einzelheiten beisteuere "Ach, du meinst das und das, ja, ich weiß". Manchmal hilft es.

madove - 29. Jun, 18:14

In der Partnerschaft hast Du sicher recht, vor allem, wenn es um das Verarbeiten irgendwie emotional aufwühlender Dinge geht. Ich habe allerdings bei eigentlich allen meinen bisherigen Partnern auch eine unangenehme Tendenz zum Dozieren festgestellt, die ich (wenn sie lang und breit ausgelebt wird) nicht sooo schätze und die auch nur begrenzt meine Solidarität verdient, finde ich. Die Grenzen sind da manchmal fließend.
Bei den anderen Zutextern bin ich immer wieder fasziniert, wie deutliche Zeichen von Eile, Unwohlsein oder Desinteresse ich an den Tag legen kann, ohne sie dadurch auch nur im Geringsten zu beeindrucken...
G u i n a n (Gast) - 29. Jun, 18:51

Die brutale Methode ist - im der Firma: Telefon klingel lassen, mir entschuldigendem Blick drangehen - Privat: Kopfhörer aufsetzen, schön laut Musik hören. Ersteres mache ich gelegentlich tatsächlich, Letzteres wünsche ich mir nur manchmal sehnlichst, ziehe es aber nie durch. Verflixte Höflichkeit.
Dietmar (Gast) - 7. Aug, 12:27

Mein Problem ist umgekehrt

Ich neige dazu, anderen Vorträge zu halten. Deshalb sage ich meist wenig, weil ich Sorge habe, Andere zu nerven.

madove - 7. Aug, 16:37

Das finde ich echt ehrenhaft!

Ich sage auch meist wenig, aber mehr aus Sorge, die anderen so sehr zu nerven, wie sie mich nerven.
Ob ich dazu neigen würde, wenn ich nicht selber ungebetene Vorträge so hassen würde, weiß ich nicht mal genau. Ich rede auch gerne, auch ausführlich, aber ich brauche dafür die explizite, dauernde, interessierte Rückmeldung, sonst "kann ich nicht".

Trackback URL:
https://madove.twoday.net/stories/empfangsbestaetigung/modTrackback

Dazugekommen

Huch, eigentlich gibt...
Huch, eigentlich gibt es das Blog doch schon gar nicht...
madove - 27. Jun, 16:07
Ein Lebenszeichen! Wie...
Ein Lebenszeichen! Wie schön!
Conradin - 25. Jun, 21:58
Hach, Gesprächsfetzen....
Hach, Gesprächsfetzen. <3 Mein Radio.
rebekka (Gast) - 2. Sep, 20:43
Echt?
Mal testen. Hm.
David (Gast) - 27. Mai, 17:24
yeeeeey
ich bin gerade so strahlefroh!! geil, dass das ein...
tonja (Gast) - 8. Mär, 15:46
Das ist ja schon witzig......
Das ist ja schon witzig... Du hast wirklich sehr sehr...
madove - 19. Jan, 22:00

Über mich

"Ma dove?" ist italienisch und heißt "Aber wo?".
Der "Name" ist eigentlich zufällig an mir hängenge-blieben, paßt aber bestechend:
Ich suche.
Den Sinn des Lebens, meinen Platz in der Welt, meinen eigenen Stil, und eigentlich ständig meinen Schlüsselbund. Bislang mit mäßigem Erfolg, aber unverdrossen.
Um herauszufinden, was ich denke, lese ich gerne hier nach. Dafür muß ich es aber erst schreiben.
Daher das blog.


Flattr this

Verloren?

 

Status

Online seit 5236 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 27. Jun, 16:07

Kontakt

gleicher username wie hier, nur eben bei web.de ( NEU! Die gmx-Adresse ist tot. Für immer.)

Crushing
Doof
Heiter
Italienisch
Nachdenklich
Polemisch
Politisch
Uneinsortierbar
Unnötig kompliziert
Unverständlich
Zauberhaft
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren