Futterplatz

Seit vielen Jahren schwirren meine Gedanken und Gefühle, soweit sie die Welt und Gesellschaft betreffen, also die politischen Gedanken und Gefühle, hektisch und verzweifelt herum wie aufgescheuchte Vögel über brennendem Boden.
Der Blick nach unten läßt mir die Augen tränen, und wo immer ich landen will, verbrenn ich mir die Füße - keine Partei paßt, in jeder Organisation scheinen mir grundlegende Dinge falsch zu laufen; wo der Inhalt endlich klar&drastisch genug ist, ist die Rhetorik zu polemisch, und wo ich mich mal wohlfühle, sind wir so wenige, daß es fast mehr wehtut, sich da wohlzufühlen, als gar nicht hinzugehen.

Vor einigen Tagen bin ich im Netz auf Antje Schrupp gestoßen, die sich primär mit Feminismusthemen befaßt; ein Gebiet, das mich bisher nur sekundär interessiert hat (eigentlich immer noch).
Aber je mehr ich von ihr lese, desto mehr hab ich das Gefühl, nach Hause zu kommen. Sie schreibt entschieden, aber unpolemisch, unglaublich qualifiziert und durchdacht, aber verständlich, gleichzeitig sachlich und emotional... Ich habe zu so vielen quälenden Fragen dort Stellungnahmen gefunden, die mir von unglaublichem theoretischem und praktischem Nutzen sind, zum Teil einfach, weil sie höchst fundiert die Komplexität der Problematik anerkennen und meinem Verdacht, daß es keine einfache Antwort gibt und daß das auch irgendwie die Antwort ist, eine Grundlage und eine praktische Perspektive (!) geben.
Ich denke sehr oft beim Lesen, daß ich da auch irgendwann angekommen wäre, oder beim Denkenflattern auch schon vorbeigekommen bin, aber zu allein war, um zu verstehen.

Das Gefühl, daß meine Gedanken dort kurz landen, trinken und Kraft schöpfen können, treibt mir die Tränen der Erleichterung in die Augen.
Samuel B. - 1. Jun, 20:20

was wäre so eine "quälende frage" die sie 'beantwortet'?

madove - 1. Jun, 21:44

Puh.
Mein Eintrag war absichtlich so vage, weil ich mich nicht in der Lage fühlte, das konkreter zu machen, es ist eben mehr ein Gefühl. Ich probiers trotzdem mal:


"Beantworten" ist nicht der richtige Ausdruck.

Einerseits mag ich einfach ihre offenen Stellungnahmen zu einzelnen Themen, bei denen ich auch immer hin- und hergerissen bin, wie Burka-Verbot, Quotenregelungen... oder zB die Frage, wie man zu Pornos steht, wo ich immer, wenn ich tolerant, genußfreudig, offen und wohlwollend sein will, mich vor einer irrsinnigen Überzahl wirklich ekliger, gewaltverherrlichender und frauenverachtender Ekelproduktionen finde, die nicht nur Einzelfälle, sondern die große Mehrheit sind und grade Jugendlichen glaub ich einen ECHT kranken Eindruck vermitteln, andererseits, wenn ich mich kritisch äußere, sofort Zustimmung ernte von irgendwelchen verklemmten Spießern oder Radikalfeministinnen, die in Männern den Teufel in Person sehen, und dabei will ich doch nur "Spaß haben und daß alle nett zueinander sind"? ;-)

Genereller und quälender eher sowas: Woran liegt mein Gefühl, daß wir in dem Genderkram noch irrsinnig weit vom Ziel weg sind, obwohl (hier) niemand mehr von niemandem unterdückt wird? Woran merke ich, ob ich gerade nicht weiterkomme, weil ich schlechter bin oder weil ich als Frau benachteiligt bin? Wie spreche/denke ich das an, ohne mich selber in einer Opferrolle zu bejammern?
Warum denke ich meistens, meine Meinung sei nicht relevant? Und wär es besser, ich würd sie rausposaunen wie die ganzen Männer um mich rum, die davon noch weniger vestehen als ich?
Das Hin- und Hergerissensein zwischen dem Versuch, so "männlich" wie möglich zu sein, also laut mein Revier zu verteidigen und mich selbstbewußt zu geben, meine Interessen in der großen bösen Welt mit der Keule gegen alle anderen zu verteidigen und dem Gefühl, das selbst da, wo ich es problemlos lernen könnte, eigentlich wirklich nicht zu wollen.
Das Unbehagen, das ich empfinde, wenn ich Ratgeber für "Karrierefrauen" lese, weil ich das Ziel nicht darin sehe, daß wir diese albernen (und katastrophalen) Machtspielchen und Schwanzvergleiche gewinnen lernen? Andererseits bringen "wir" ja "unsere Ziele" nicht weiter, jedenfalls nicht innerhalb des Systems, wenn wir nicht "gewinnen"? Wenn ich aber gar nicht gewinnen will, sondern die ganze Gemeinschaft/Abteilung/Familie weiterbringen? Bin dann einfach ich zu feige für den Konflikt (ich bestimmt ;-) ) oder ist das System scheiße und ich müßte eher dagegen und nicht darin kämpfen?

Mir gefällt diese Herangehensweise, die Unterschiede zwischen Männern und Frauen nicht wegzureden, aber den Schwerpunkt weniger auf Ursachenforschung (genetisch? anerzogen?) zu legen wie bei einer Krankheit, sondern auf die Frage: Wie wollen wir eine Gesellschaft haben und warum wird der "weibliche" (dh im Moment überwiegend von Frauen gespielte) Part immer noch als defizitär gewertet (Automechanikerinnen sind allmählich ok, aber häkelnde Hausmänner immer noch peinlich; kaum ein Junge würde eine Frau als Vorbild angeben, umgekehrt durchaus), und wo gehört er gestärkt, weil viel Rücksicht auf andere, Mitdenken für die Gemeinschaft etc. dabei ist? Das dann schon wieder unabhängig davon, ob diese Rolle duch Frauen oder Männer vertreten wird?
Und da verläßt das für mich auch den (mir mäßig relevanten) Feminismusaspekt, sondern es geht mir halt um die Frage, ob ich ein System mittragen will, das gezielt den fördert, der seine eigenen Interessen über alles stellt und den benachteiligt, der mal kurz stehenbleibt um zu gucken, ob die anderen mitkommen.

Ich hab schon viele kluge Sachen gelesen, vielleicht auch klügere, aber bei ihr kommt für mich vor allem eine unheimlich menschenfreundliche und in sich ruhende Haltung rüber, die sich nicht durchs Verurteilen anderer abgrenzt und trotzdem nichts von Schwäche hat. Das Lesen führt dazu, daß ich mich besser finde und gleichzeitig die Welt mehr mag, das ist selten. Vor allem letzteres ist mir in letzter Zeit öfter mal verloren gegangen.
Muriel (Gast) - 6. Jan, 10:59

Meins ist sie ja nicht so richtig.
Also, schon sympathisch und okay, irgendwie, aber ...
mir nicht entschieden und konsequent genug, und mir fehlt doch ein bisschen Humor.
Obwohl ich - von religiösen Themen abgesehen - wenig konkreten Dissens mit ihr finde, werde ich nicht warm und habe mein Abo schon zweimal erneuert, um es dann doch wieder zu kündigen.

Trackback URL:
https://madove.twoday.net/stories/futterplatz/modTrackback

Dazugekommen

Huch, eigentlich gibt...
Huch, eigentlich gibt es das Blog doch schon gar nicht...
madove - 27. Jun, 16:07
Ein Lebenszeichen! Wie...
Ein Lebenszeichen! Wie schön!
Conradin - 25. Jun, 21:58
Hach, Gesprächsfetzen....
Hach, Gesprächsfetzen. <3 Mein Radio.
rebekka (Gast) - 2. Sep, 20:43
Echt?
Mal testen. Hm.
David (Gast) - 27. Mai, 17:24
yeeeeey
ich bin gerade so strahlefroh!! geil, dass das ein...
tonja (Gast) - 8. Mär, 15:46
Das ist ja schon witzig......
Das ist ja schon witzig... Du hast wirklich sehr sehr...
madove - 19. Jan, 22:00

Über mich

"Ma dove?" ist italienisch und heißt "Aber wo?".
Der "Name" ist eigentlich zufällig an mir hängenge-blieben, paßt aber bestechend:
Ich suche.
Den Sinn des Lebens, meinen Platz in der Welt, meinen eigenen Stil, und eigentlich ständig meinen Schlüsselbund. Bislang mit mäßigem Erfolg, aber unverdrossen.
Um herauszufinden, was ich denke, lese ich gerne hier nach. Dafür muß ich es aber erst schreiben.
Daher das blog.


Flattr this

Verloren?

 

Status

Online seit 5214 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 27. Jun, 16:07

Kontakt

gleicher username wie hier, nur eben bei web.de ( NEU! Die gmx-Adresse ist tot. Für immer.)

Crushing
Doof
Heiter
Italienisch
Nachdenklich
Polemisch
Politisch
Uneinsortierbar
Unnötig kompliziert
Unverständlich
Zauberhaft
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren