Muriel (Gast) - 30. Okt, 18:54

Weil ich (im Gegensatz zu Deiner Annahme) glaube, daß die halbwegs moralischen und kooperativen Menschen in der deutlichen Mehrheit sind. Das ist zu platt, aber das triffts eigentlich.
Das kann ich natürlich so nicht hinnehmen. Das bildet keinen Gegensatz zu meiner Annahme. Ich sehe das genauso.
Das Problem ist meines Erachtens, wenn ich 100 liebe kooperative Menschen habe, und einen, der kein Problem damit hat, unkooperativ zu sein, dann sind die ANDERN der Depp.
Nur, wenn sie ihm gegenüber weiterhin lieb und kooperativ sind, und dann haben sies ja wohl irgendwie nicht anders gewollt...
Ob das jetzt ein Einbrecher ist, wegen dem alle ihre Türen abschließen müssen, oder ein Betrüger, wegen dem man bei allen Grschäften erstmal mißtrauisch werden muß, oder der EINE Typ in einer gut funktionierenden WG, der nicht spült und wegen dem alle anderen mehr spülen müssen.
Und der Staat hat Einbrecher, Betrüger und Leute in WGs, die nicht mit spülen, verhindert? Soweit ich sehe, gibt es die noch.
KEINE Regeln sind (aller meiner Erfahrung im Kleinen und im Großen nach) äquivalent zu einer Steuer auf Moral und Kooperativität. Und vielleicht noch auf Dummheit, das wäre der einzige Vorteil.
Das ist ein interessanter Vergleich, dem ich womöglich zustimmen würde, nachdem ich gründlich drüber nachgedacht habe. Es wäre jedenfalls völlig lächerlich, eine Gesellschaft ohne Regeln zu fordern.
Und ich finde andererseits, daß er mich so gut es geht, vor gewaltsamen Übergriffen anderer schützen soll. Soweit sollten wir uns halbwegs einig sein.
naja... Halbwegs insofern, als ich gerne gar keinen Staat im üblichen Sinne mehr hätte, aber natürlich durchaus weiterhin eine Institution für sinnvoll halte, die die Mitglieder einer Gesellschaft vor Übergriffen anderer schützt.
Aber, und da warn wir auch schonmal, er trägt halt meines Erachtens NICHT der Tatsache Rechnung, daß es vorhandene Strukturen gibt, die in "unmoralischer" Weise dafür sorgen, daß Vertragspartner nicht gleichwertig sind.
Es gibt immer eine Ungleichheit zwischen Vertragspartnern. Ich sehe daran nichts Unmoralisches.
Dir kommt der Vergleich mit "Sklaverei" bei Steuern und Staatsgewalt in den Sinn, mir eben eher, wenn ich an völlig freiwillige, vielleicht sogar enthusiastische Zustimmung zu zB miserablen Arbeitsverhältnissen denke, die mangels Alternative "freiwillig" angenommen werden.
Und ein Staat hätte das gewiss verhindert, wenn wir doch nur einen hät... Oh, hoppla.
Oder weniger albern: Nein, ich wollte nicht Steuern mit Sklaverei vergleichen. Ich finde nur den Standpunkt sehr naheliegend, dass das gleiche Recht für alle Menschen gelten sollte (was ein Sonderrecht für bestimmte Institutionen oder Gruppen ausschließt, wie ein Staat es erfordert) und dass niemand das Recht haben sollte, Gewalt gegen andere anzuwenden (das ein Staat für sich qua Rolle monopolisiert), solange nicht einwandfrei belegt ist, dass es wirklich nicht anders geht.
Ich verstehe das Problem mit dem doof verteilten Eigentum. Ich verstehe den Wunsch, das in Ordnung zu bringen. Ich teile ihn sogar. Ich verstehe nicht die selbstverständliche Annahme, dieses Ziel wäre nur oder am besten oder auch überhaupt mittels staatlichen Zwangs erreichbar.
Das ist wieder wie am Anfang: "Lass uns gemeinsam Regeln festlegen, nach denen wir leben wollen! " ist auch in meinen Augen eine gute und notwendige Idee.
"Lass einige von uns einen Monopolisten bestimmen, der Regeln für alle festlegt und sie dann mit Waffengewalt auch gegen die durchsetzt, die lieber nach anderen Regeln leben wollen!" ist in meinen Augen eine ganz, ganz fürchterliche Idee.

madove - 30. Okt, 20:10

Okay, generell versteh ich Dich jetzt besser. Oder so ähnlich.

Das kann ich natürlich so nicht hinnehmen. Das bildet keinen Gegensatz zu meiner
Annahme. Ich sehe das genauso.


Entschuldige, das war mißverständlich ausgedrückt. Ich meinte, Deine Annahme wäre, daß ICH das nicht glaube.

insofern, als ich gerne gar keinen Staat im üblichen Sinne mehr hätte, aber natürlich
durchaus weiterhin eine Institution für sinnvoll halte, die die Mitglieder einer Gesellschaft
vor Übergriffen anderer schützt.


Darunter kann ich mir überhaupt nichts vorstellen, vielleicht ist das mein Problem?

Mein Spaß an dieser Diskussion hält sich vor allem deshalb in Grenzen, weil es eigentlich nicht zu meinen Hobbies gehört, irgendeinen Staat zu verteidigen, sondern eher, ihn zu kritisieren. Insofern kann ich bei allem, was Du ankreidest, nur zustimmen.

Wenn ich Dich nach Deiner Vorstellung frage, dann ist das kein provokatives "Jetzt liefer mal eine Alternative", sondern es kommt daher, daß ich mir einfach keine habenswerte vorstellen kann, und eben nicht mal eine, die habenswerter ist als dieser hinkende, stinkende Mist von Staat, den wir haben.
Wie soll denn zB eine Wasserversorgung gehen, die allen Bewohnern bezahlbares Wasser zukommen läßt? Das ist ja nicht optional, da kann ich ja nicht gucken, ob vielleicht jemand was anbieten mag, oder so? Und was macht denn ein Markt mit einem Gut, auf das die Käufer lebensnotwendig und zeitnah angewiesen sind? Und was soll passieren mit Leuten, die zB nicht für sich selber sorgen können? Almosen? Falls vorhanden?
Oder wäre Dein Problem gelöst, wenn Du einfach ein opt-out hättest, so ein bißchen wie diese Friedensinitiative, die ihre Steuern anteilig um das kürzen will, was in den "Verteidigungs"haushalt geht? Und jeder zahlt nur für das, was ihn interessiert (Autobahnen - isch abe gar keine Auto, Schulen - keine Kinder, danke, etc...)? Abgesehen davon, daß ich denke, daß es dann eine Menge toller Infrastruktur und vor allem langfristiger Planung nicht geben würde (aber okay, dann halt nicht, egal) stellt sich dann wieder die Frage: Wer sorgt für die Schwachen?
Ja. Ich glaub eigentlich ist das meine wichtigste Frage. Und die, woran ich jeden Staat messen würde... *seufz* Ich geh dann mal demostrieren.
Muriel (Gast) - 30. Okt, 21:12

Entschuldige, das war mißverständlich ausgedrückt. Ich meinte, Deine Annahme wäre, daß ICH das nicht glaube.
Hätte ich eigentlich auch so verstehen müssen. Mein Fehler.
Wie soll denn zB eine Wasserversorgung gehen, die allen Bewohnern bezahlbares Wasser zukommen läßt? Das ist ja nicht optional, da kann ich ja nicht gucken, ob vielleicht jemand was anbieten mag, oder so? Und was macht denn ein Markt mit einem Gut, auf das die Käufer lebensnotwendig und zeitnah angewiesen sind? Und was soll passieren mit Leuten, die zB nicht für sich selber sorgen können? Almosen? Falls vorhanden?
Das ist doch aber gar kein neues Problem. Liefert unser Staat uns Brot, und Fleisch, und Nudeln, und Muffins?
Essen ist auch nicht optional, und trotzdem hatte ich noch nie ein Problem damit, einfach zu gucken, wer mir was anbietet. Andere Menschen versorgen mich freiwillig zu meiner vollen Zufriedenheit mit diesem Gut, auf das ich lebensnotwendig und zeitnah angewiesen bin.
Warum sollte das bei Wasser nicht funktionieren? Und warum sollte es mit einer Institution wie einem Staat besser funktionieren?
Und Leute, die nicht für sich selber sorgen können, können andere versorgen. Freiwillig. Es gibt ja auch heute Hilsorganisationen, und es gibt offensichtlich eine große Anzahl von Leuten, die es für richtig halten, Hilfsbedürftigen zu helfen. Glaubst du, die Bereitschaft dazu lässt nach, wenn es nicht mehr unter Gewaltandrohung gefordert wird?
Wir waren uns doch einig, dass die überwiegende Mehrheit der Menschen grundsätzlich ganz okay ist.
Oder wäre Dein Problem gelöst, wenn Du einfach ein opt-out hättest, so ein bißchen wie diese Friedensinitiative, die ihre Steuern anteilig um das kürzen will, was in den "Verteidigungs"haushalt geht? Und jeder zahlt nur für das, was ihn interessiert (Autobahnen - isch abe gar keine Auto, Schulen - keine Kinder, danke, etc...)?
Mein hauptsächliches Problem wäre damit gelöst. Ob und wo ein opt-out-Quasistaat die bessere Lösung ist als ein ganz normales marktwirtschaftliches System, in dem Unternehmen eine Leistung gegen eine Gegenleistung anbieten, kann ich nicht mit Sicherheit sagen.
Wer sorgt für die Schwachen?
Wer sorgt denn jetzt für sie? Ich glaube nicht, dass es viele Menschen gibt, die ernsthaft meinen, dass wir Leute einfach verhungern lassen sollten, die nicht für sich selbst sorgen können. Und ich halte es für ziemlich plausibel, dass deren Beitrag mehr als ausgeglichen wird durch die besseren Möglichkeiten derer, die in ihrer Hilfsbereitschaft dann nicht mehr durch die Notwendigkeit behindert werden, Kriege und Flugbereitschaften und Kraftwerkssubventionen finanzieren zu müssen, von den versteckteren Kosten der Bürokratie ganz abgesehen.
Es mag ja auch sein, dass ich zu naiv bin, aber ich denke, wenn etwas offensichtlich für die ganze Gesellschaft eine gute Idee ist, sollte man Leute davon überzeugen können, es freiwillig zu tun. Ich würde das einsehen, und du vermutlich auch, und obwohl ich natürlich der Überzeugung bin, dass wir beide ganz besonders fantastische Menschen sind, halte ich es doch für möglich, dass auch andere so viel Vernunft und Güte aufbringen würden. Oder um es mit Penn Jillette zu sagen:
"Helping poor and suffering people yourself is compassion. Voting for our government to use guns to give money to help poor and suffering people is immoral self-righteous bullying laziness. People need to be fed, medicated, educated, clothed and sheltered. If we're compassionate, we'll help them, but you get no moral credit for forcing other people to do what you think is right. There is great joy in helping people, but no joy in doing it at gunpoint."
Ich würde dem noch hinzufügen, dass es ja sogar ganz handfeste materielle Vorteile hat, die Armen und Hilfsbedürftigen zu unterstützen. Erstens kann jeder von uns selbst mal arm und hilfsbedürftig sein, zweitens haben wir alle was davon, wenn möglichst viele Menschen in durch Bildung und Medizin und so weiter in die Lage versetzt werden, ihren Beitrag zur Gesellschaft zu leisten.

Und um das auch noch mal zu ergänzen, obwohl ich es schon mal bei mir irgendwo geschrieben hatte: Ich bilde mir natürlich nicht ein, dass das sofort klappen würde, wenn man heute Nacht um 23:59 Uhr sämtliche Staaten auflösen und um Mitternacht am 31. 10. mit Anarchie anfangen würde. Die Menschheit ist ein sehr träges, lernresistentes Pack (Ja, ich auch.), und wir haben Jahrzehntausende von Obrigkeit hinter uns, vom Häuptling über Pharaonen und Könige und Kaisern zu Präsidenten und Abgeordneten und Kanzlern. Es wäre gewiss ein langer, mühsamer Prozess eine Gesellschaft an die Idee zu gewöhnen, dass jeder Einzelne von uns Verantwortung nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere trägt, dass wir nicht das Recht haben, anderen ihr Leben vorzuschreiben, und dass wir gute Entscheidungen auch treffen können, ohne dass andere uns dazu zwingen.
madove - 30. Okt, 21:51

Ich stehe ja Utopien, vor allem welchen, die von einem so netten Menschenbild ausgehen, ziemlich wohlwollend gegenüber.

Und ich muß zugeben, daß alle schrecklichen Dinge, die mir einfallen, nicht in staatenlosen Situationen stattfinden (ich kenne nämlich keine), sondern sich auf Dinge beziehen, die der jeweilige Staat eben nicht regelt oder seine Regeln nicht durchsetzt (oder die er sogar noch gutheißt).
Aber ich habe den Eindruck, daß Menschen einerseits durchaus fröhlich Kinderarbeit oder "normale" Ausbeutung praktizieren, Urwälder abholzen, Giftmüllabfälle irgendwohin kippen, beliebige an Betrug oder Körperverletzung grenzende Dinge mit dem Essen machen, das sie mir verkaufen etc., wenn man sie nicht daran hindert. Und ich frag mich halt, wer soll sie daran hindern, wer soll sie kontrollieren, und wie? Muß ich mir eine Privatmiliz zulegen, und noch stärkere Gewerkschaften und Verbaucherschutzverbände, die dann gelegentlich mal einen Fabrikbesitzer verkloppen? Und ein paar Neger lynchen? Da würd ich einen Rechtsstaat vorziehen.

Hach, und hinter der Idee mit der staatlichen Armenversorgung stehen halt schon ein paar wünschenswerte Gedanken, sowas wie ein Rechtanspruch statt bettlerischer Kriecherei, und das geht dann wieder in Richtung Menschenwürde, das ist ein andere Thema.

Wir drehn uns im Kreis. Aber so einmal im Jahr muß wohl.

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"Ma dove?" ist italienisch und heißt "Aber wo?".
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Ich suche.
Den Sinn des Lebens, meinen Platz in der Welt, meinen eigenen Stil, und eigentlich ständig meinen Schlüsselbund. Bislang mit mäßigem Erfolg, aber unverdrossen.
Um herauszufinden, was ich denke, lese ich gerne hier nach. Dafür muß ich es aber erst schreiben.
Daher das blog.


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