Muriel (Gast) - 30. Okt, 22:13

Ich muss natürlich fairerweise zugestehen, dass es für mich sehr bequem ist zu sagen, alle schlimmen Dinge seien trotz Staaten passiert, einfach weil es noch nie eine anarchische Gesellschaft irgendwo gegeben hat.
Aber andererseits frage ich mich schon, woher die Annahme kommt, der Staat sei tendenziell besser als seine Bürger. Warum sollte er? Welchen Vorteil hat der Staat denn, abgesehen von den Panzern und den Maschinengewehren? Hier sage ich es jetzt doch wieder: Die Gesellschaften, in denen Kinderarbeit und Abholzung von Urwäldern und Lynchmorde ablaufen, haben doch auch Staaten, die teilweise die Missstände nicht nur nicht bekämpfen und nicht nur begünstigen, sondern sie geradezu erzwingen.
Hach, und hinter der Idee mit der staatlichen Armenversorgung stehen halt schon ein paar wünschenswerte Gedanken, sowas wie ein Rechtanspruch statt bettlerischer Kriecherei, und das geht dann wieder in Richtung Menschenwürde, das ist ein andere Thema.
Verstehe ich nicht.
Menschen können doch genauso freiwillig einen Anspruch gewähren.
Ist es würdevoller für mich, wenn ich meine Versorgung von Leuten bekomme, die mit Waffengewalt dazu gezwungen werden, als wenn mir freiwillig jemand hilft?
Und was ist das überhaupt für eine merkwürdige Idee, dass es mich entwürdigt, wenn ich jemanden um Hilfe bitte?
Wenn ich mir nicht selbst helfen kann, und jemand anderen darum bitte, und er mir hilft, das stellt meine Menschenwürde infrage, aber wenn er es stattdessen tut, weil jemand mit einem Gewehr ihn dazu zwingt, dann fühle ich mich gut dabei?
Wie machst du denn das, wenn du möchtest, dass jemand dir hilft? Und wie magst du es lieber, wenn jemand deine Hilfe möchte?

Oder ein bisschen weniger polemisch: Ich habe das Gefühl, dass viele Menschen (vielleicht du ja nicht, da will ich mir kein Urteil anmaßen) den Staat irgendwie grundlegend anders beurteilen als andere Menschen und sich selbst. Was bei jedem Individuum widerliches und rüpelhaftes Verhalten wäre, gilt plötzlich als völlig legitim, sobald der Staat es tut. Ich verstehe das nicht.
Entweder ist etwas okay, oder es ist nicht okay. Warum sollte es eine Rolle spielen, wer es tut?

Muriel (Gast) - 30. Okt, 22:21

Oder vielleicht noch mal anders:
Du denkst, Menschen sollten eine gewisse Grundversorgung erhalten, auch wenn sie derzeit keine Gegenleistung anbieten können. Ich denke das auch. Mir scheint, das denken sehr, sehr viele Menschen in diesem Land.
Was hält uns davon ab, einen Verein zu gründen, der genau diese Grundversorgung gewährleistet, meinetwegen als Rechtsanspruch?
Wozu brauchen wir einen Staat, um das zu tun?
Oder glaubt du, dass es nicht genug Leute gibt, die das so sehen?
madove - 30. Okt, 22:51

Ich will dich ja wirklich nicht auf irgendwas festlegen, um es dann zerpflücken zu können (also, doch, auch, aber das würd ich nie zugeben), aber ich versteh echt nicht, was die Alternative ist, also womit ich mich gerade auseinandersetze.
Vielleicht haben wir ein Begriffsproblem?

Ich meine mit Staat eine Konstruktion, in der wir uns gemeinsam (also im Moment repräsentativ-mehrheitsdingens, aber vielleicht geht das ja auch besser?) auf Regeln und Rechte und Pflichten einigen, und die wir mit der Umsetzung derselben beauftragen, rechtsstaatlich kontrolliert und so.

Was ist denn Dein Ding mit der Waffengewalt? In meiner Wahrnehmung ist die Sache mit dem Gewaltmonopol ein Fortschritt gegenüber dem Ausgangszustand, daß wir uns alle gegenseitig verkloppen. Und Rechtsstaatsprinzip sollte doch bedeuten, daß Sachen eben nicht legitim sind, nur weil der Staat sie tut?

Ich bin die letzte, die den Eindruck hat, daß das im Moment so umgesetzt wird. Ich habe genug Freunde, die schonmal Spaß mit willkürlicher Polizeigewalt hatten. Und im privaten Rahmen käme hier noch die wenig erbauliche Geschichte meines Vaters und seiner zahlreichen (immerhin gewonnenen) Prozesse vor Verwaltungsgerichten.
Wahrscheinlich ist mein Staat mindestens so utopisch wie Dein... Dings. Aber die Idee funktioniert in meinem Kopf super :-) Und zB das Grundgesetz geht in die richtige Richtung.

[Ich finde schon, daß es einen Unterschied macht, ob Du um Deine Unterstützung bitten mußt. Und ich finde, daß es keinen Unterschied machen darf, wie entzückend und sympathisch und mitleiderregend Deine Bedürftigkeit aussieht und ob Du hübsch Pfötchen gibst. Sondern ich finde, es hat andersrum niemand ein Recht auf die zweite Million, solange irgendjemand anderes nicht heizen kann.
-> Rechtsanspruch. ->Steuern. Sorry.
Aber das wäre eben meine politische Agenda. Wenn ich sie nicht durchkriege, ist das Pech, in der Demokratie.]
madove - 30. Okt, 22:55

[Hm? Wie kann ein Verein einen Rechtsanspruch gewähren? Du bist doch der Jurist?
Und dann profitieren alle (von dem sozialen Frieden und bla), und es zahlen nur die Netten, Mitleidigen, und die Egoisten haben einen doppelten systemischen Wettbewerbsvorteil. Das ist auch das Problem an dem tollen zivilgesellschaftlichen Engagement.]

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"Ma dove?" ist italienisch und heißt "Aber wo?".
Der "Name" ist eigentlich zufällig an mir hängenge-blieben, paßt aber bestechend:
Ich suche.
Den Sinn des Lebens, meinen Platz in der Welt, meinen eigenen Stil, und eigentlich ständig meinen Schlüsselbund. Bislang mit mäßigem Erfolg, aber unverdrossen.
Um herauszufinden, was ich denke, lese ich gerne hier nach. Dafür muß ich es aber erst schreiben.
Daher das blog.


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