Muriel (Gast) - 31. Okt, 09:00

Du hast Recht. Ich glaube auch, dass wir größtenteils ein Begriffsproblem haben.
Ich meine mit Staat eine Konstruktion, in der wir uns gemeinsam (also im Moment repräsentativ-mehrheitsdingens, aber vielleicht geht das ja auch besser?) auf Regeln und Rechte und Pflichten einigen, und die wir mit der Umsetzung derselben beauftragen, rechtsstaatlich kontrolliert und so.
Aber so einen Staat gibt es nicht. "Wir" haben uns nicht "geeinigt". Ich habe diesem System niemals zugestimmt, und du auch nicht, und auch sonst niemand, den ich kenne. Wir wurden nie gefragt.
Natürlich ist es viel praktischer, das so zu machen. Ist immer praktischer, wenn man die eigene Position zwangsweise durchsetzen kann, ohne mit anderen diskutieren zu müssen. Aber legitim wird es dadurch noch nicht.
Was ist denn Dein Ding mit der Waffengewalt? In meiner Wahrnehmung ist die Sache mit dem Gewaltmonopol ein Fortschritt gegenüber dem Ausgangszustand, daß wir uns alle gegenseitig verkloppen.
Die Waffengewalt ist doch das Einzige, was den Staat auszeichnet. Das Gewaltmonopol. Und natürlich gibt es Zustände, gegenüber denen das Gewaltmonopol eines einigermaßen vernünftigen Rechtsstaates ein großer Fortschritt ist. Aber ich denke eben, dass es von diesem Gewaltmonopol immer noch dramatisches Potenzial zur Verbesserung gibt.
Ich finde schon, daß es einen Unterschied macht, ob Du um Deine Unterstützung bitten mußt.
Welchen? Inwiefern? Und wie soll der Staat das machen? Soll er einfach unaufgefordert jedem Bürger die Hilfe schicken, egal ob der sie will oder nicht? In allen mir bekannten Staaten muss man die Unterstützung in irgendeiner Form beantragen.
Aber ich glaube, ich verstehe schon. Das ist hier auch wieder so ein Begriffsdings. Es geht dir darum: Und ich finde, daß es keinen Unterschied machen darf, wie entzückend und sympathisch und mitleiderregend Deine Bedürftigkeit aussieht und ob Du hübsch Pfötchen gibst. Finde ich auch.
Und Rechtsstaatsprinzip sollte doch bedeuten, daß Sachen eben nicht legitim sind, nur weil der Staat sie tut?
Der Staat ist auch an Recht gebunden, ja. Aber er hat trotzdem Sonderrechte. Zum Beispiel:
Hm? Wie kann ein Verein einen Rechtsanspruch gewähren? Du bist doch der Jurist?
Dafür braucht man nicht mal einen Verein. Jeder von uns kann das. Ich kann jetzt und hier sagen, dass ich mich verpflichte, jedem Menschen mit einem Einkommen unter X Euro Y Euro pro Monat zu zahlen. Zum Beispiel, jetzt mal ganz dumm gedacht.
Was der Verein nicht kann, und was ich auch nicht kann, ist, andere zu verpflichten, das zu zahlen. Das kann nur ein Staat. Und genau das ist in meinen Augen das Problem. Niemand sollte das Recht haben, andere Menschen gegen ihren Willen zu irgendwas zu verpflichten.
Und dann profitieren alle (von dem sozialen Frieden und bla), und es zahlen nur die Netten, Mitleidigen, und die Egoisten haben einen doppelten systemischen Wettbewerbsvorteil. Das ist auch das Problem an dem tollen zivilgesellschaftlichen Engagement
Nur, wenn man als Gesellschaft keine vernünftige Regelung findet, mit diesem Problem umzugehen. Das ist unter Umständen anstrengend. Viel anstrengender als die einfache Lösung "Wir bedrohen die Egoisten, damit sie auch mitmachen", aber ethisches Verhalten ist eben häufig anstrengender als unethisches. Kurzfristig zumindest. Langfristig zahlt es sich aus.

madove - 31. Okt, 22:36

[[Wie machst Du eigentlich diese Einrückungen? Bei mir klappt das irgendwie nicht?]]

"Wir" haben uns nicht "geeinigt". Ich habe diesem System niemals zugestimmt, und du auch nicht, und auch sonst niemand, den ich kenne. Wir wurden nie gefragt.
Natürlich ist es viel praktischer, das so zu machen. Ist immer praktischer, wenn man die eigene Position zwangsweise durchsetzen kann, ohne mit anderen diskutieren zu müssen.


Mit dem Ersten hast Du natürlich recht, das ist ein echter Punkt. Ich empfinde es als nicht so drastisch, weil ich mir ja eine ganze Menge an Dingen nicht ausgesucht habe, also zB generell so mit all diesen anderen Leuten hier zu leben, und die Sprache, und das Geld, und die Kultur und so. Und eben, und das ist das zweite, weil ich den Eindruck habe, theoretisch (also wenn er nicht kaputt oder korrupt oder so ist, sondern tatsächlich demokratisch), den Staat in halbwegs angemessener Weise mitbestimmen zu können, also genauso sehr wie alle anderen, und nicht unterschiedlich, je nachdem, wie feste ich zuschlagen oder wieviel ich kaufen kann. Theoretisch.......
Und wie meinst Du, ohne diskutieren zu müssen? Es wird doch die ganze Zeit diskutiert, im Parlament, in den Medien, vor Gericht?
(Hilfe? Warum klingt das überhaupt nicht sexy? Und warum höre ich mich an wie mein Gemeinschaftskundelehrer? Irgendwas läuft hier schief.)

Aber ich denke eben, dass es von diesem Gewaltmonopol immer noch dramatisches Potenzial zur Verbesserung gibt.

Du weckst immer diese hungrige Neugier nach guten Utopien in mir...

Welchen [Unterschied]? Inwiefern? Und wie soll der Staat das machen? Soll er einfach unaufgefordert jedem Bürger die Hilfe schicken, egal ob der sie will oder nicht? In allen mir bekannten Staaten muss man die Unterstützung in irgendeiner Form beantragen.

Der (dramatische) Unterschied ist, ob ich was beantrage, was mir zusteht und was ich ggf einklagen kann, oder ob ich bitten und hoffen und untertänigst dankbar sein muß. Falls ichs überhaupt kriege. Und wenn nicht ist halt Pech.

Dafür braucht man nicht mal einen Verein. Jeder von uns kann das. Ich kann jetzt und hier sagen, dass ich mich verpflichte, jedem Menschen mit einem Einkommen unter X Euro Y Euro pro Monat zu zahlen. Zum Beispiel, jetzt mal ganz dumm gedacht.

Das ist jetzt vllt. Erbsenzählerei, aber: wut? echt? Dann hab ich doch immer noch keinen Rechtsanspruch gegen Dich? Was soll ich denn machen, wenn Du's mir nicht zahlst? Im schlimmsten Fall verstößt Du gegen Deine Statuten, und verlierst vielleicht noch Deinen Anspruch auf Gemeinnützigkeit oder so, wenn das Ganze in einem Staat wie unserem stattfindet. Und wenn nicht, wüßt ich ja nichtmal, bei wem ich Dich verklagen soll?

Nur, wenn man als Gesellschaft keine vernünftige Regelung findet, mit diesem Problem umzugehen. Das ist unter Umständen anstrengend. Viel anstrengender als die einfache Lösung "Wir bedrohen die Egoisten, damit sie auch mitmachen", aber ethisches Verhalten ist eben häufig anstrengender als unethisches. Kurzfristig zumindest. Langfristig zahlt es sich aus.

Du weckst immer diese h ...-ah, das hatte ich schon.
Jetzt. Schlafen.
Muriel (Gast) - 1. Nov, 14:20

[[Wie machst Du eigentlich diese Einrückungen? Bei mir klappt das irgendwie nicht?]]
Einfach mit dem Blockquote-Tag wie bei Wordpress auch.
Ich empfinde es als nicht so drastisch, weil ich mir ja eine ganze Menge an Dingen nicht ausgesucht habe, also zB generell so mit all diesen anderen Leuten hier zu leben, und die Sprache, und das Geld, und die Kultur und so
Ja, gut, es gibt immer noch was Schlimmeres.
nd eben, und das ist das zweite, weil ich den Eindruck habe, theoretisch (also wenn er nicht kaputt oder korrupt oder so ist, sondern tatsächlich demokratisch), den Staat in halbwegs angemessener Weise mitbestimmen zu können, also genauso sehr wie alle anderen, und nicht unterschiedlich, je nachdem, wie feste ich zuschlagen oder wieviel ich kaufen kann. Theoretisch.......
Ich weiß nicht mal, ob ich dem theoretisch zustimme. Zwar bestimmen alle Wähler theoretisch gleich mit, was allerdings bei Staaten mit Millionen Bürgern bedeutet, dass sie alle gleich so gut wie gar nicht mitbestimmen, und sogar theoretisch bleibt ja der Einfluss der Abgeordneten, der Regierung, der Richter und solcher Leute endlos viel größere als der der Wähler.
Darüberhinaus finde ich persönlich darin auch keinen Trost. Auch in einer WG, in der alle gleichberechtigt abstimmen, hätte ich ein Problem damit, wenn drei von denen gegen den Willen der beiden anderen entscheiden, dass alle gemeinsam zu gleichen Teilen den DSL-Anschluss mitbezahlen, ganz egal ob sie ihn nutzen oder nicht, und dass die, die sich weigern, im Keller eingesperrt werden.
Und wie meinst Du, ohne diskutieren zu müssen? Es wird doch die ganze Zeit diskutiert, im Parlament, in den Medien, vor Gericht?
Du hast Recht, das war schluderig formuliert. Es wird durchaus diskutiert, aber es spielt keine Rolle, wenn nicht alle überzeugt sind. Niemand muss sich daran stören, dass ich Steuern doof finde. Mir wird gesagt, wie viel ich zu bezahlen habe, und wenn ich das nicht mache, kommen die Männer mit den Hunden und den Schusswaffen. (Ich kann mir vorstellen, dass es ein bisschen nervt, dass ich permanent darauf rumreite, aber ich finde erstens, dass die Waffe als letztes Argument des Staates in der Argumentation seiner Befürworter viel zu gerne verschwiegen wird, und zweitens waren die auch wirklich schon bei mir zu Hause und sind mir deshalb sehr präsent. War toll, während des Studiums einfach mal ein Dreivierteljahr nicht mehr auf den Computer zugreifen zu können, weil er beschlagnahmt war.)
Hilfe? Warum klingt das überhaupt nicht sexy? Und warum höre ich mich an wie mein Gemeinschaftskundelehrer? Irgendwas läuft hier schief.
Naja. Ich glaube, dass du schon Recht hast, dass wir in vieler Hinsicht gar nicht so unterschiedliche Vorstellungen davon haben, wie eine Gesellschaft vernünftigerweise aussehen soll, aber ich habe die bequeme Position inne, gegen etwas real Existierendes argumentieren zu können, während du unglücklicherweise etwas verteidigen musst, von dem du selbst auch glaubst, dass es blöd ist, aber hoffst, dass man es besser machen könnte.
Du weckst immer diese hungrige Neugier nach guten Utopien in mir...
Vielleicht schreib ich mal was. Aber ich leide unter Angstzuständen, wenn ich nur dran denke, weil ich dann immer fürchte, ich könnte wie Ayn Rand klingen. Sagen wir mal so: Viele Kommunisten glauben ja auch, dass man den Staat nicht mehr braucht, wenn die Revolution erst mal wirklich abgeschlossen ist. Da bin ich so liberal, dass ich schon wieder linksextrem um die Ecke gucken kann, oder so...
Der (dramatische) Unterschied ist, ob ich was beantrage, was mir zusteht und was ich ggf einklagen kann, oder ob ich bitten und hoffen und untertänigst dankbar sein muß. Falls ichs überhaupt kriege. Und wenn nicht ist halt Pech.
Aber das ist nicht der Unterschied zwischen Staat und Keinstaat.
Das ist der Unterschied zwischen Anspruch und Keinanspruch. Beides geht mit, und beides geht ohne Staat. Wenn der Staat deinen Anspruch nicht gewährt, ist genauso Peche, wie wenn es andere nicht tun. Der Staat ist doch auch einfach nur ein Akteur. Das meine ich mit der Sonderrolle, die viele Menschen dem Staat zuweisen, und die ich nicht richtig verstehe.
Das ist jetzt vllt. Erbsenzählerei, aber: wut? echt? Dann hab ich doch immer noch keinen Rechtsanspruch gegen Dich? Was soll ich denn machen, wenn Du's mir nicht zahlst? Im schlimmsten Fall verstößt Du gegen Deine Statuten, und verlierst vielleicht noch Deinen Anspruch auf Gemeinnützigkeit oder so, wenn das Ganze in einem Staat wie unserem stattfindet. Und wenn nicht, wüßt ich ja nichtmal, bei wem ich Dich verklagen soll?
Ach, so meinst du. Hm... Lass mich mal sehen, wie ich mit vertretbarem Aufwand für uns beide erkläre, wie ich das sehe.
1. Du hast Recht, dass in unserem Staat ein solches Versprechen in einem Blogkommentar sicher nicht einklagbar wäre. Aber ich könnte mich wirksam dazu verpflichten, wenn ich wirklich wollte.
2. Die Einklagbarkeit. Was ist denn das? Die Möglichkeit, eine gegebene Zusage gewaltsam durchzusetzen. Womit wir wieder bei der Sonderrolle des Staates sind. Was macht der denn besser an der Situation, abgesehen davon, dass ihm einfach qua Überzahl und besserer Ausrüstung niemand was entgegenzusetzen hat, wenn es an eine gewaltsame Auseinandersetzung geht? Wenn es darum geht, jemanden zu haben, mit dem es an schierer Gewalt niemand aufnehmen kann, dann ist ein Staat in der heutigen Form vielleicht wirklich eine gute Idee, zumindest innerhalb seiner Grenzen. In der Beziehung zu anderen Staaten wird der Rückgriff auf Gewalt dann für jeden ersichtlich ... unerfreulich.
Aber was hält denn Menschen in einer voluntaristischen Gesellschaft davon ab, einen Mechanismus für die Schlichtung von Disputen einzurichten, und einen für die Durchsetzung von Forderungen?
Das meinte ich oben damit, dass es natürlich erst mal einfacher ist mit staatlichen Mitteln. Man muss niemanden überzeugen, sich einer solchen Institution zu unterwerfen, weil es schon eine Institution gibt, die mächtig genug ist, diese Unterwerfung auch von denen zu erzwingen, die sie nicht wollen.
Ist das einfacher als eine freiwillige Lösung? Wahrscheinlich.
Ist es deshalb wünschenswert oder ethisch vertretbar? Ich glaube, nicht.
3. Wen verklagst du, wenn unser Staat dir den Anspruch verweigert? Ich meine jetzt den Staat als Ganzes. Wenn du vor dem BVerfG standest und die Richter dir gesagt haben: Vergiss es, madove. Wen verklagen die Leute, die wegen Inzest oder Drogenbesitz inhaftiert sind?
Ein Anspruch hängt letzten Endes immer davon ab, ob jemand bereit ist, ihn mir zu gewähren. Der Staat kann dieses Problem (wenn man es als solches empfindet) nicht aushebeln. Der Staat ist nichts anderes als eine Gruppe von Menschen, eine Institution. Wie jeder Mensch und wie jede Institution kann ein Staat Versprechungen machen, und er kann Mechanismen schaffen, die gewährleisten sollen, sich daran zu halten. Aber kann er das besser als andere Gruppen und andere Institutionen?
Deswegen reite ich immer auf den Waffen und der Gewalt rum. Ich sehe keinen anderen Unterschied zwischen dem Staat und anderen Institutionen, halt abgesehen davon, dass der Staat seine Vorstellungen mit Gewalt durchsetzt, während andere das nicht können, wollen oder dürfen, oder so.
madove - 3. Nov, 13:26

Hmpf. Das ist etwa so der Punkt, wo ich einerseits den Eindruck habe, jetzt sprengts allmählich den Rahmen und meine Ausdauer, und wo es andererseits interessant wird, weil die kaum hinterfragten Konzepte soweit durch sind, zumindest auf meiner Seite.
Ich weiß nicht mal, ob ich dem theoretisch zustimme. Zwar bestimmen alle Wähler theoretisch gleich mit, was allerdings bei Staaten mit Millionen Bürgern bedeutet, dass sie alle gleich so gut wie gar nicht mitbestimmen, und sogar theoretisch bleibt ja der Einfluss der Abgeordneten, der Regierung, der Richter und solcher Leute endlos viel größere als der der Wähler.
Die erste Hälfte ist richtig, ist aber ein generelles Problem, ich bin halt nur 80Mio-stel, mehr gips nich. Ich denke, wenn ich irgendeine Grundsatzentscheidung strukturell stärker als mein 80Mio-stel beeinflussen kann, dann wieder nur, weil ich mir irgendeine nicht legitimierte Macht unter den Nagel gerissen habe. Und da ist natürlich auch Deine zweite Hälte furchtbar wahr, und eklig, aber theoretisch haben "wir" uns die ja extra dafür ausgesucht, demokratisch, sie würden das also in unser aller Auftrag machen. Wobei das wirklich so grandios überhaupt nicht funktioniert, daß ich jegliche Kritik sofort unterschreibe.
Aber was hält denn Menschen in einer voluntaristischen Gesellschaft davon ab, einen Mechanismus für die Schlichtung von Disputen einzurichten, und einen für die Durchsetzung von Forderungen?
Genau das interessiert mich eben, wie könnte der sich denn auch nur theoretisch von meinem (theoretisch-rosagepinselten) Staat unterscheiden? Indem man sich ihm nicht unterwerfen MUSS? Dh alle finden einen Mechanismus gegen Ladendiebstahl gut, außer Karlheinz, weil der ist von Beruf Ladendieb, aber der muß sich dann ja nicht unterwerfen? Ist das so ein bißchen wie mit dem IStGH und den USA? (Ich mein das viel weniger provokativ als es klingt)
3. Wen verklagst du, wenn unser Staat dir den Anspruch verweigert? Ich meine jetzt den Staat als Ganzes. Wenn du vor dem BVerfG standest und die Richter dir gesagt haben: Vergiss es, madove. Wen verklagen die Leute, die wegen Inzest oder Drogenbesitz inhaftiert sind?
Dann kann ich s noch bei EGMR probieren, aber das ist ja auch wieder "nur" so eine Einrichtung.

Und wenn der auch nicht will, dann muss ich die Wahrnehmung der Gesellschaft verändern und versuchen, einen Meinungswandel durchzusetzen, daß Frauen auch Menschen sind, oder Homosexuelle nicht verbrannt gehören, oder es eben einen Rechtanspruch auf ein minimales menschenwürdiges Auskommen geben sollte. Oder eben daß Inzest zwischen zwei ...[waahwieheißtdennconsentaufdeutsch?] Erwachsenen ausschließlich deren Privatangelegenheit ist, genau wie ihr Drogenkonsum. Wo kann ich unterschreiben?

Das Problem hätte ich aber auch ohne Staat, wenn die Gesellschaft das nicht so sieht. Nur daß man mich dann eben auch mal kurz irgendwo aufknüpfen könnte, auch wenn die Mehrheit der Leute über das Stadium mit dem Aufknüpfen inzwischen raus ist und die Todesstrafe vielleicht schon abgeschafft hätte.

Wie gesagt: Ich teile ALLE Deine Kritikpunkte und könnte einmal meinen linksradikalen Ärmel schütteln und noch viel mehr finden. Aber ich komm immer wieder drauf zurück:
- Ich denke, "keine Regeln" benachteiligt die Schwachen und "die Guten".
- Also Regeln. Und dann bitte nicht von Gott, einem beliebigen König, einem selbsternannten "guten Diktator" oder der Mafia (Ehrlich gesagt, stell ich mir Abwesenheit des Staates immer vor wie Sizilien.), sondern halt in irgendeinem sinnvollen Prozeß von allen, die sie betreffen, entschieden. (...ich sehe das problem hier.)
- Damit das mit den Regeln irgendeinen Effekt hat, muß sie jemand durchsetzen und Mittel dazu haben. Also dann doch am liebsten jemand, auf den wir uns auch (zumindest theoretisch) geeinigt haben und den wir (th.) kontrollieren können. Ich empfinde eigentlich sowohl meinen Finanzbeamten als auch Frau Merkel als zu einem 80 Mio-stel meine Angestellten.

Aus dem Eindruck heraus, daß wir weder in der Analyse des Status quo noch in der Wunschvorstellung so schrecklich weit auseinanderliegen (auch wenn ich denke, wir haben schon irgendwo einen grundsätzlichen Unterschied im Freiheitsbegriff) frag ich mich halt, was das dann heute bedeutet, also was wir anstreben/fordern.

Meine Sicht bringt mich dazu, den Staat als ein lächerliches Zerrbild dessen zu sehen, was er sein könnte, und ständig an ihm rumschrauben zu wollen, damit er besser wird.
Deins wäre dann eher Deregulierung an allen Stellen, wo er Mist baut, oder? Und da seh ich dann halt einfach Schritt für Schritt den Verlust der mühsam erkämpften gesellschaftlichen Fortschritte und ein Abgleiten in Anarchie. Aber ja keine jungfräuliche, wo wir alle uns bei Null zusammensetzen und mal sehen, wie wir das so machen wollen, sondern eine, in der bestehende Macht- und Wirtschaftstrukturen dann eben völlig ohne diesen Hauch von demokratischer Kontrolle, den wir jetzt haben, weiterwirken. Und wie man von da zu einer Utopie kommt, ist mir halt schleierhaft.

Oder war das jetzt ein Strohmann?
Muriel (Gast) - 3. Nov, 14:30

Genau das interessiert mich eben, wie könnte der sich denn auch nur theoretisch von meinem (theoretisch-rosagepinselten) Staat unterscheiden? Indem man sich ihm nicht unterwerfen MUSS? Dh alle finden einen Mechanismus gegen Ladendiebstahl gut, außer Karlheinz, weil der ist von Beruf Ladendieb, aber der muß sich dann ja nicht unterwerfen? Ist das so ein bißchen wie mit dem IStGH und den USA? (Ich mein das viel weniger provokativ als es klingt)
Ja, so ungefähr.
Wobei ich natürlich jedem Menschen das Recht zugestehe, sich und sein Eigentum (dessen genaue Bedeutung natürlich zu klären wäre, wie in jeder gesellschaft) zu schützen. Niemand muss mir erlauben, mich zu verteidigen, wenn er mich angreift.
Schutzmechanismen für so direkte Eingriffe halte ich auch ohne Zustimmung derer, vor denen man sich schützt, für völlig unproblematisch. Wie weit die dann gehen dürfen, ist eine andere Frage. Ich als Eigentümer eines Ladens sähe mich zum Beispiel nicht legitimiert, jemanden ein paar Jahre lang einzusperren, weil er bei mir geklaut hat.
Das Problem hätte ich aber auch ohne Staat, wenn die Gesellschaft das nicht so sieht. Nur daß man mich dann eben auch mal kurz irgendwo aufknüpfen könnte, auch wenn die Mehrheit der Leute über das Stadium mit dem Aufknüpfen inzwischen raus ist und die Todesstrafe vielleicht schon abgeschafft hätte.
Wie jeder Staat ist auch jede andere Gesellschaftsform auf Akzeptanz durch ihre Mitglieder angewiesen.
Wenn ein ausreichend hoher Anteil der Mitglieder den voluntaristischen Prinzipien nicht zustimmt, wird eine voluntaristische Gesellschaft nicht funktionieren, so wie auch eine demokratische, eine Kommunistische, oder jede andere.
- Ich denke, "keine Regeln" benachteiligt die Schwachen und "die Guten".
Ich denke, "keine Regeln" benachteiligt alle ganz enorm und ist deshalb eine sensationell dumme Idee, die meines Wissens auch niemand vertritt, der halbwegs bei Verstand ist.
- Also Regeln. Und dann bitte nicht von Gott, einem beliebigen König, einem selbsternannten "guten Diktator" oder der Mafia (Ehrlich gesagt, stell ich mir Abwesenheit des Staates immer vor wie Sizilien.), sondern halt in irgendeinem sinnvollen Prozeß von allen, die sie betreffen, entschieden. (...ich sehe das problem hier.)
Da ist ein Problem. Mein grundsätzliches kommt aber erst im nächsten Schritt: Ich gestehe niemandem das Recht zu, Regeln für andere Menschen festzulegen, ohne dass die dem zustimmen.
Ich würde, wenn ich mit anderen Menschen eine Gesellschaft gründen wollte, wahrscheinlich viele Regeln genauso festlegen, wie sie auch heute zum Beispiel in Deutschland liegen.
Wenn aber eine andere Gruppe sich entscheiden würde, dass sie lieber andere Regeln will, dann würde ich nicht gewaltsam gegen sie vorgehen. Das ist eigentlich (sagte ich ja schon) das einzige echte Problem, dass ich mit dem Konzept Staat habe.
auch wenn ich denke, wir haben schon irgendwo einen grundsätzlichen Unterschied im Freiheitsbegriff
Auf die Gefahr hin, kleinlich zu sein, glaube ich das eher nicht. Oder zumindest nicht nur.
Ich habe bisher den Eindruck, dass du eigentlich auch total gerne eine voluntaristische Gesellschaft hättest, aber der Meinung bist, dass nicht genug Menschen so vernünftig damit umgehen würden, dass sie funktionieren könnte.
Da stimme ich dir zu. Heute brauchen wir (scheint mir) noch einen Staat. Nicht weil der an und für sich eine gute Sache wäre, sondern so wie manche Teile großer Städte früher mal einen mächtigen Gangsterboss gebraucht haben (und mancherorts vielleicht immer noch brauchen). Einfach, weil dann jemand da ist, der die weniger mächtigen Gangsterbosse davon abhält, die Leute auszurauben und mit ihren Gangkriegen alles in Schutt und Asche zu legen, indem er alle davor schützt, von jemand anderem ausgeraubt zu werden als von ihm selbst, und indem er jedem die Beine bricht, der den Frieden in seinem Viertel stört.
Ich kann der Meinung sein, dass dieser Gangsterboss Unrecht tut, und trotzdem wollen, dass er an der Macht bleibt, weil ich weiß, dass die Macht sonst von noch schlimmeren Leuten ausgeübt wird.
So geht es mir mit unserem Staat, und ich habe eigentlich den Eindruck, dass es dir gar nicht so viel anders geht. Andererseits scheinst du der Meinung zu sein, dass die Herrschaft dieses Staates legitim wäre, weshalb wir da vielleicht doch weiter auseinander sind, da bin ich mir nicht so sicher. Aber ich bin mir eigentlich ziemlich sicher, dass wir beide als Idealbild gerne eine Gesellschaft hätten, die ganz ohne Gangsterbosse auskommt, nur mit dem Unterschied, dass du es der Menschheit anscheinend nicht zutraust, so vernünftig zusammen zu leben, wie es dafür erforderlich wäre.
Außerdem habe ich das Gefühl, dass du dich schwertust, die Möglichkeit anzuerkennen, dass auch in einer völlig voluntaristischen Gesellschaft Regeln gelten und Rechte geschützt werden.
Wenn ich mich da irre, bitte ich um Entschuldigung.
Deins wäre dann eher Deregulierung an allen Stellen, wo er Mist baut, oder?
Meins wäre seine Abschaffung. Wie gesagt nicht unbedingt jetzt und auf einen Schlag, weil ich auch sehe, dass das (noch?) nicht ginge.
Ob der Staat in einem bestimmten Bereich Mist baut oder nicht ist für mich zweitrangig, weil seine Position für mich schon ganz grundsätzlich illegitim ist. Siehe Gangsterboss.
Aber ja keine jungfräuliche, wo wir alle uns bei Null zusammensetzen und mal sehen, wie wir das so machen wollen, sondern eine, in der bestehende Macht- und Wirtschaftstrukturen dann eben völlig ohne diesen Hauch von demokratischer Kontrolle, den wir jetzt haben, weiterwirken.
Warum denn?
Warum nicht das erste?
madove - 3. Nov, 18:12

Irgendwie kocht es sich auf drei Punkte zusammen:

a) Unser Idealbild ist echt sehr ähnlich.

b)
Außerdem habe ich das Gefühl, dass du dich schwertust, die Möglichkeit anzuerkennen, dass auch in einer völlig voluntaristischen Gesellschaft Regeln gelten und Rechte geschützt werden.
Ich kann es im Moment nicht "anerkennen", weil ich mir einfach nicht vorstellen kann, wie es gehen soll. (Wahrscheinlich sollte ich einfach mal "voluntaristisch "googlen, vielleicht macht das ja jemand konkreter als Du. Und überzeugender als Ayn Rand *aua* oder ist das wieder was anderes?)
Keine übergeordnete Autorität mit Gewaltmonopol, keine Be-Regelt-Werden ohne eigene Zustimmung (-> effektiv Konsensprinzip?).
Ich habe "Gesellschaften" erlebt, die sowas ausprobieren und bis zu einem gewissen Grad sogar hinkriegen (think: Landkommunenhippies), aber die zeichnen sich durch drei Eigenschaften aus: 1) Sie und Ihre Mitglieder wählen einander sorgfältig aus 2) ich kenne kein Modell größer als ein paar hundert Leute und so wie ich es kenne, skaliert es nicht 3) Es ist erstaunlich, wie unangenehm und eklig das werden kann, obwohl alle EXTREM wohlwollend sind, nur halt ganz normal neurotisch. Und da hat man dann noch keine wirklich destruktiven Egoisten dabei.
Aber ich bin die erste, die jedes Mal feuchte Äuglein kriegt, wenn man von solchen Ideen spricht, Wahrscheinlich würd ich Dir sogar auf eine Insel folgen, auf der du versuchst, Deins umzusetzen.

c) Aber, und das ist mein größtes praktisches Problem: Wir haben halt keine Insel.
Und während ich extrem Spaß daran hab, mich hier mit Dir über Utopien zu unterhalten und das zumindest für mich durchaus auch erhellend ist, führt die Kurzform "weniger Staat" oder "kein Staat" oder "Steuern sind Diebstahl" in der jetzt gegebenen Situation meines Erachtens definitiv zu der ZWEITEN Variante in meinem letzten Abschnitt.
Die ausgleichende/schützende/regelnde Funktion des Staates anzugreifen OHNE zB die im Moment vorhandenen wirtschaftlichen Privilegien explizit mit zu bekämpfen, würde zum exakten Gegenteil dessen führen, was ich für eine gute Gesellschaft halte.
Echt jetzt.
In der Hinsicht ist der Vergleich mit dem Gangsterboss gar nicht so schlecht, auch wenn ich doch nochmal auf der demokratischen Legitimierung rumreiten will, die zwar zugegeben nach wie vor eine fragwürdige ist, aber eben ein grandioser Fortschritt gegenüber allen anderen Formen von Herrschaft jemals, afaik.
Muriel (Gast) - 6. Nov, 19:14

Du wärst auf meiner Insel jederzeit willkommen. Ähm. Kam das jetzt komisch rüber? Hoffentlich nicht. Ich bin, was taktlose Implikation angeht, einerseits manchmal paranoid, andererseits manchmal viel zu unbedacht. Und mache ich jetzt alles nur noch schlimme, indem ich so drauf rumreite?
Schnell weiter:
Mich würde ja interessieren, unter welchen Umständen du generell gewaltsamen Zwang für gerechtfertigt hältst. Kannst du das so beantworten? Falls ich schon mal gefragt habe, bitte ich um Entschuldigung. Ich erinnere mich gerade nicht.
Und dann stimme ich dir im Ergebnis zu. Persönlich denke ich zwar, dass der Rechtsstaat eigentlich die viel größere Errungenschaft ist als die Demokratie, aber das ist wirklich schwer abzuschätzen, und ich denke jedenfalls auch, dass letztere ein großer Fortschritt gegenüber dem Kram vorher war, aber eben hoffentlich nicht der letzte.
Übrigens: Das neue Bright Outlook ist da. Ich sag nur.
madove - 8. Nov, 09:56

(Der erste Satz war prima. Die folgenden fünf könnten vielleicht einen Hauch awkward wirken ;-))

Zu Deiner Frage: Nein, kann ich so wirklich nicht. Ich kann beantworten, daß ich ihn offensichtlich unter Umständen für gerechtfertigt halte (sonst hätte ich mich irgendwie in der Diskussion vertan), und ich kann wahrhscheinlich in einer Liste von gegebenen Situationen einige klar mit Ja und viele klar mit Nein beantworten, und ganz, ganz viele mit ratlosem Blick, während ich versuche, schmerzhaft irgendwelche Rechtsgüter abzuwägen. Und/oder meine moralischen Vorstellungen. Und so ähnlich muß das meine Gesellschaft dann halt auch machen. Ich glaub nicht, daß es besser geht. Ich würde zumindest jemandem, der darauf eine einfache und befriedigende Antwort zu haben scheint, kein Wort glauben.

Ansonsten: hervorragendes Schlußwort.

(Bright Outlook: Oh, danke, der Service is ausgezeichet!)

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madove - 19. Jan, 22:00

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"Ma dove?" ist italienisch und heißt "Aber wo?".
Der "Name" ist eigentlich zufällig an mir hängenge-blieben, paßt aber bestechend:
Ich suche.
Den Sinn des Lebens, meinen Platz in der Welt, meinen eigenen Stil, und eigentlich ständig meinen Schlüsselbund. Bislang mit mäßigem Erfolg, aber unverdrossen.
Um herauszufinden, was ich denke, lese ich gerne hier nach. Dafür muß ich es aber erst schreiben.
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