Muriel (Gast) - 5. Jan, 21:11

Und du hast sogar Recht. Demokratischer Kommunismus ist vorstellbar.
Mit Freiheit verträgt er sich aber wirklich nicht so gut, und wahrscheinlich haben wir auch deshalb die Erfahrung gemacht, dass er tendenziell eher nicht demokratisch wird.
Denke ich jedenfalls.

madove - 5. Jan, 23:55

Ich weiß, was du meinst. Aber das mit der "Freiheit" ist so eine Sache. Wenn ich groß bin, schreibe ich da auch mal was dazu, das braucht allerdings noch ein bißchen Arbeit.
Muriel (Gast) - 6. Jan, 12:36

Ich zitiere in dem Zusammenhang immer Joachim Fernau.
Mögen Sie Wetter?
Eben.
madove - 6. Jan, 12:59

Ich bin nicht sicher, ob ich das richtig verstehe und auf unser Thema übertrage.
Mir gehts weniger um die angenehmen und unangenehmen Seiten der Freiheit (so versteh ich Dein Zitat, korrigier mich, wenn ich mich irre), sondern um die relativ starke Auslegung der Grundidee, daß meine Freiheit aufhört, wo Deine anfängt.
Und um die Ansicht, daß es eine komplette Illusion ist, eine Art Freiheit zu verteidigen, in der jeder machen kann, was er will. Weil (fast...) alles, was wir machen, die anderen mitbetrifft, ist es für mich automatisch Gegenstand einer Auseinadersetzung in der Gesellschaft. Und Gegenstand von Regeln.
Die Forderung nach Freiheit, die so wenig Regeln will wie möglich, will mE das Recht des Stärkeren und Gewissenloseren (und man kann das Ergebnis in vielen Bereichen der Gesellschaft und Wirtschaft sehen), und da seh ich partout keinen Reiz drin.
Muriel (Gast) - 6. Jan, 16:19

Fernau meint, dass der Begriff Freiheit alleine keinen Sinn ergibt, solange man nicht weiß, wovon man überhaupt frei sein will. Ob von staatlicher Einflussnahme, von materieller Not, von Verantwortung, oder von den verdammten Kopfläusen.
Ich persönlich habe den Eindruck, dass eine möglichst weitgehende Freiheit von staatlicher Gängelung für alle, einschließlich der Schwachen und Empfindsamen, zu besseren Ergebnissen führt. Natürlich nützt es nichts, in Extremen zu argumentieren, ich bin kein libertärer Extremist. Aber spätestens, wenn die Gemeinschaft die Kontrolle über die Produktionsmittel bekommen soll, ist für mich Schluss. Das kann meiner Meinung nach nicht gutgehen, und ich finde, dass die Erfahrung das bestätigt.
madove - 6. Jan, 20:50

Ich kann mir vergemeinschaftliche Produktionsmittel sehr gut vorstellen.
Erstens wünsche ich mir von Herzen sowas wie Fünf-Jahres-Pläne statt den reinen Blick auf den nächsten Quartalsabschluss. Aber vor allem wünsch ich mir Zielsetzungen wie nachhaltige Produktion und flächendeckende Versorgung mit allem, was Menschen so brauchen, und mir hat nie eingeleuchtet, warum es besser sein soll, daß das als Nebenprodukt des Profitstrebens der Marktteilnehmer abfällt (oder auch nicht, wenn man Pech hat), statt daß wir einfach unser Wirtschaften direkt daran ausrichten.
Muriel (Gast) - 6. Jan, 22:08

In gewisser Weise klingt das gut. Das Problem dabei ist, dass du damit dem einzelnen Menschen die Entscheidung nimmst und sie vergemeinschaftest. Das führt erstens nicht zu besserer Versorgung, sondern zu schlechterer, zum Beispiel weil das Produkt vieler kleiner Entscheidungen im Schnitt immer besser ist als eine einzige große Entscheidung (vgl. zum Beispiel "The Wisdom of Crowds") und weil die Einzelnen im Gegensatz zu den staatlichen Bestimmern einen direkten Anreiz haben, sich möglichst genau an der Nachfrage zu orientieren.
Ich finde es darüber hinaus auch ethisch nicht akzeptabel, die Rechte des Einzelnen in so hohem Maße zu beschneiden, und riskant ist es außerdem. Je mehr Macht der Staat hat, desto größer ist die Gefahr, dass er sie missbraucht. Und im Gegensatz zu Privatunternehmen ist es ziemlich schwierig, ihn an die Kandare zu nehmen, wenn es einmal soweit ist.
madove - 7. Jan, 11:04

Ich sehe die von dir genannten Probleme natürlich auch.
Mein Ziel ist ja auch nicht, den "real existieren Sozialismus" nochmal nachzubauen. Und ich will auch nicht, daß Angela Merkel morgens entscheidet, wieviel Kilo Leim ich für meine Werkstatt bestelle.
Es geht mir um die Zielsetzung, und ich hätte gerne, daß wir alle uns grob darauf einigen (das stelle ich mir übrigens gar nicht so schwierig vor) UND sie dann gezielt anstreben (das ist der kompiliziertere Teil).
Und vor allem geht es mir überhaupt nicht um Geschmacksfragen: Jeder soll anziehen dürfen, was er will, und glauben, was er will, und (einvernehmlich) Sex haben, wie und mit wem er will usw. Aber es ist doch realistisch so, daß bestimmte Privatentscheidungen Einfluß auf die Welt haben, und zwar zB schädlichen Einfluß. Wenn ich dich haue, kannst du zurückhauen, und es ist okay. Wenn ich einen Sportwagen fahre, wird NUR für meinen privaten Spaß Lärm gemacht, Benzin verbrannt, die Luft verpestet und Menschen, die sich von A nach B bewegen müssen, in Gefahr gebracht. Ich verstehe nicht, warum eine Gesellschaft diese Art von persönlicher Freiheit fördern soll.
Ich habe bewußt ein sicher nicht konsenfähiges Beispiel gewählt.

Ob ich jetzt alles verstaatliche oder einfach nur die Regeln verstärke (Ihr werdet mich den Sportwagen nicht verbieten lassen, aber ich könnte zumindest ALLE besagten Kosten so genau wie möglich in seine Steuer einrechnen, das ist dann die "Gängelung"), da bin ich nicht dogmatisch. Aber, ganz im Ernst, absurder als es jetzt zugeht, wo Wirtschaftswachstum Selbstzweck ist und das Wohlergehen der Menschen ein eventueller Nebeneffekt, kanns eigentlich nicht werden, oder?
Es kommt mir so irrsinnig unwirtschaftlich vor, sich diesen ganzen Überbau von überbezahlten Vorständen und Großaktionären, aber auch große Märkte von Sachen, die keiner braucht und keiner will, und Werbeabteilungen, die sie trotzdem verkaufen, zu halten, damit ein bißchen was downtrickelt für die Verbesserung des eigentlichen Wohlergehens der Leute. Wessen Freiheit ist das denn, wenn man sich frei für ein beliebiges Iphone entscheiden kann, aber nicht dafür, daß man Arbeit hat, oder funktionierendes Klima?
Muriel (Gast) - 7. Jan, 23:07

Den gesamten ersten Absatz über bin ich eigentlich bei dir.
Aber beim zweiten bin ich dafür ab dem zweiten Satz ganz weit weg.
Ich glaube, du schätzt das falsch ein.
Das Wirtschaftswachstum ergibt sich aus den Entscheidungen der Menschen. Es wird niemand bestraft, der nicht dazu beiträgt. Insofern stimme ich dir schon nicht zu, wenn du es "Selbstzweck" nennst. Ich kenne niemanden, der arbeiten geht (oder sonst irgendwas tut), um das Wirtschaftswachstum zu fördern. Außer Politikern. Und dass die das nicht tun sollten, vielleicht überrascht dich das ein bisschen, da sind wir uns wieder einig.
Und was die Unwirtschaftlichkeit angeht: Du nennst sie überbezahlt. Du glaubst, die Sachen will keiner. Aber diese Leute bezahlt jemand. Und die Sachen kauft jemand. Das System ist teilweise nicht besonders effizient. Aber es lässt den Menschen die Wahl, was sie herstellen wollen, was sie kaufen wollen, und wie sie das Geld dafür verdienen wollen. Und es hat den erfreulichen Nebenbeffekt sein, das insgesamt effizienteste zu sein, das wir bisher gefunden haben.
Zu deinem letzten Satz habe ich auch noch was zu sagen: Du kannst dich frei für das iPhone (übrigens, genial: http://www.theonion.com/articles/apple-claims-new-iphone-only-visible-to-most-loyal,2772/) entscheiden, wenn du jemanden findest, der es dir verkauft. Und du kannst dich entscheiden, Arbeit zu haben, wenn du jemanden findest, der dich dafür bezahlt. Zu beidem gehören zwei, und keiner von ihnen sollte gezwungen werden.
Das mit dem iPhone ist natürlich leichter, aber aus meiner Sicht liegt das in der Natur der Sache und ist kein Fehler unseres Systems. Und das mit dem Klima ist noch mal eine ganz andere Dose Würmer, die ich hier mal verschlossen lasse.
Ich denke, damit können wir wahrscheinlich die Diskussion einstellen. Ich weiß, dass meine Erläuterung nicht deine Meinung ändern wird. Wäre auch komisch, weil ich nur Behauptungen aufstelle und zu faul bin, dir Belege zu bringen (Bis auf den Vorschlag "Wisdom of Crowds", übrigens ein wirklich gutes und sehr sachliches Buch.). Mein Ziel ist auch nur, zu erklären, wie ich das sehe und warum. Deinen Standpunkt verstehe ich übrigens auch sehr gut.
madove - 7. Jan, 23:40

Ja, ich denke, wir können es so lassen. Ich dank Dir für die Mühe.
Mir ist vor allem wichtig, daß mein Standpunkt von Leuten wie Dir verstanden wird, und mir ist wichtig, Deinen zu verstehen. Ich leide darunter, wenn ich den Eindruck habe, meiner wird öffentlich als komplett absurd angesehen, was er, denke ich, nicht ist. Sicher auch nicht ausgereift, und wohl auch nicht konsensfähig, aber nicht komplett absurd. Und eigentlich nicht gefährlich.
Andersrum leide ich auch darunter, daß ein System als völlig normal (und "alternativlos") gilt, was ich in seinen Auswirkungen oft völlig absurd, zumindest aber fragwürdig, finde. Und gerne ergebnisoffen hinterfragen "dürfen" will.
Da bist Du eine große Hilfe, der Du den anderen Standpunkt vertrittst, aber in einer Weise, die ich als extrem angenehme Diskussionskultur empfinde.
madove - 22. Jan, 10:08

Achja, und falls irgendjemand bis hierhin mitgelesen hat und noch Nerven hat: Wir sind dann mal rüber zu Muriel und haben dort weiterdiskutiert.

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"Ma dove?" ist italienisch und heißt "Aber wo?".
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Den Sinn des Lebens, meinen Platz in der Welt, meinen eigenen Stil, und eigentlich ständig meinen Schlüsselbund. Bislang mit mäßigem Erfolg, aber unverdrossen.
Um herauszufinden, was ich denke, lese ich gerne hier nach. Dafür muß ich es aber erst schreiben.
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