Nein, das ist
nicht der Präsident meines Herzens, und ich möchte mich auch gar nicht weiter mit der seltsamen Aufführung heute nachmittag beschäftigen, aber der Titel paßt so schön:
Wir erinnern uns an die Bedeutung, mit der der Name
vor dem Präsidentenballett hauptsächlich assoziiert wurde, nämlich mit der
Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes, die den bespitzelten Opfern die Möglichkeit gibt, Einsicht zu erhalten in die Aufzeichnungen, die die Stasi über sie gesammelt hat.
Nun hat ja die BRD im Gegensatz zur DDR nicht fertig, und ihr Inlandsgeheimdienst, der Verfassungsschutz, damit leider auch nicht.
Aber letzterer doch zumindest fast, wenn man sich so anschaut, was der sich
in den letzten paar Jahren geleistet in den letzten 62 Jahren geleistet hat. Und immer noch leistet.
Ich plädiere ja für Abschaffen, und wenn unbedingt nötig Aufbau einer neuen, stärker parlamentarisch kontrollierbaren Einrichtung, die vielleicht auch nicht in ihrer Entstehung massiv von Gestapo-Personal durchzogen war (die "Aufklärung" dazu läuft noch. Man hat immerhin 2009 damit angefangen und muß jetzt wahrscheinlich noch warten, bis der letzte verstorben ist, eh man was veröffentlicht) und deren Hauptbeschäftigung nicht darin zu bestehen scheint, die NPD zu finanzieren...
Leider ist das aber nicht seine einzige Beschäftigung, sondern er amüsiert und amüsierte sich auch mit der peniblen Überwachung von allem, was links vom rechten Flügel der SPD ist.
In meinem persönlichen Umfeld gibt es zB eine Menge Betroffener des sogenannten "
Radikalenerlasses", also Leute, die in den 70er und 80er Jahren vor einer Einstellung als Beamte in den Staatsdienst standen und dann durch eine sog. "Regelanfrage" beim Verfassungsschutz mit Erkenntnissen konfrontiert wurden, die "belegten", daß ihre politische
Einstellung verfassungsfeindlich sei, und die deshalb nicht verbeamtet, sondern entlassen wurden.
Wohlgemerkt bei fachlicher Eignung, und ohne irgendwelche ungesetzlichen Handlungen begangen zu haben, sondern rein aufgrund ihrer Einstellung, die abzulesen war bespielsweise an der Teilnahme an pazifistischen Demonstrationen, Unterschriftsleistung für den Umweltschutz, Wohnen in einer Wohngemeinschaft oder Mitgliedschaft in einer nicht verbotenen Partei oder Organisation, die der Verfassungsschutz für gefährlich hielt (wie z.B. der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, VVN).
Das Ganze war eine total skurrile Praxis der Gesinnungsdiskriminierung, die in der Zwischenzeit vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) und von der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO oder ILO) verurteilt und von Willy Brandt, der den Radikalenerlass 1972 beschlossen hatte, immerhin als "Fehler" bezeichnet wurde. (Was das Land Baden-Württemberg nicht daran hinderte, es danach in den 2000er Jahren(!) nochmal an einem Bewerber zu probieren, da waren aber zum Glück die Gerichte vor.)
Also alles in allem eine eindeutig unrechtmäßige und (hoffenlich!) der Vergangenheit angehörende Praxis, in der der Verfassungsschutz als Lieferant dieser "Indizien" seine unrühmliche Rolle gespielt hat.
Neben der Frage nach Entschädigungen (da sind große materielle und psychische Schäden entstanden, die materiellen machen sich unter anderem auch gerade jetzt deutlich bemerkbar, wo ein Großteil der Betroffenen das Rentenalter erreicht und die Quittung für ihre unverschuldet gebrochenen Erwerbsbiographien bekommt), stellt sich natürlich auch die Frage nach den Verfassungsschutz-Akten. Es gab immer mal wieder Situationen, wo ein Betroffener Einblick in Ausschnitte davon erhielt, entweder natürlich indirekt durch die Vorwürfe, die ihm gemacht wurden, oder auch, weil ihm versehentlich Unterlagen ins Blickfeld gekommen sind, die vielleicht eigentlich nicht für ihn bestimmt waren.
Es zeichnet sich ein absurdes Bild der beeindruckend umfangreichen Bespitzelung, einerseits tatsächlich durch Verfassungsschutz-Mitarbeiter, die den Inhalt von Veranstaltungen oder Flugblättern wiedergeben, ohne ihn wirklich zu verstehen, immer auf der Suche nach linken Schlagwörtern wie zB "rot", andererseits durch Kollegen und Freunde, die entweder aus einer Art Erpressungssituation heraus oder auch aus falsch verstandener Staatstreue Auskunft über Verhalten und Gesinnung der Bewerber geben.
Kurz: Man darf sich eine solche Akte wohl ähnlich vorstellen wie diese klassichen Stasifälle aus FilmFunk&Fernsehen, und aus der gleichen Motivation heraus würde man sie gerne kennen - es wäre schon nett zu wissen, welche der Freunde und Kollegen meinten, komisch verzerrte Diskussionsfetzen aufschreiben und weitergeben zu müssen, und auf welchen absurden Erkenntnissen eine solche Entlassung beruhte, und auch, welche Art der Überwachung also auch heute noch angenommen werden muß, zumindest bei denen, die der Verfassungsschutz für staatsgefährdend hält, wie zB. linke Parlamentsmitglieder.
Daher der Titel dieses Eintrags:
Es ist wirklich Zeit für eine Offenlegung und Aufarbeitung dieser Akten.
Einzelne Betroffene haben schon Antrag auf Akteneinsicht gestellt und mehrfach die Auskunft bekommen, es läge nichts über sie vor, was mindestens
...überraschend ist, weil sie ja damals in Anhörungen explizit mit den Erkenntnissen konfrontiert worden sind.
Für mich persönlich, die ich mehrere dieser Betroffenen kenne, ist das Interesse vor allem anekdotischer Natur: Ich will wissen, welche Leute in meiner Stadt wen wie verpfiffen haben. Und ich will lachen über die hysterischen Mißverständnisse, die aus Einkaufslisten und Chansontexten gefährliche kommunistische Geheimbotschaften machen, und mich fragen, ob wirklich irgendwo jemand mitschreibt, wenn ich unter der Dusche die Internationale singe, und man mir das vorgehalten hätte, falls ich mich irgendwo für den öffentlichen Dienst beworben hätte.
Aber für viele der Betroffenen geht das Interesse an der Offenlegung natürlich weit darüber hinaus, greift tief in ihre Biographie und ihr Selbstverständnis ein und ist ein notwendiger Bestandteil der Aufarbeitung dieses wirklich widerlichen Auswuchses westdeutscher Geschichte; immer hoffend, daß er Geschichte bleibt.