Haben oder Sein

Das wird der Versuch, ein ganz grundlegendes Phänomen zu beschreiben, das meine komplette soziale Interaktion, insbesondere die mit Männern, prägt und verkompliziert und mir, auch rein intellektuell, schwer auflösbar erscheint.
Zumindest für mich.

Angenommen, ich "begegne" einer Person, die ich toll finde.
Und zwar nicht nur sachlich bewundere, sondern von der ich begeistert und emotional berührt bin, sei es auf intellektuellem oder künstlerischem Gebiet, sei es wegen ihrer Art oder ihres Aussehens oder sonst irgendeiner Eigenschaft, egal. Eine reale Person in meinem Umfeld, ein fiktiver oder historischer Charakter, eine Person des öffentlichen Lebens (das ist wohl so ein Zwischending zwischen den ersten beiden), egal.
Ganz allgemein.

Dann versuche ich dieser Person näherzukommen, intellektuell wie physisch, und werde je nach Konstellation mehr Bücher mit oder von ihr lesen, youtube-Videos anschauen, (sehr viel früher und sehr selten:) Fan-Briefe schreiben, oder eben versuchen, in der Fachschaft einen Tee mit dieser Person zu trinken.
Wenn ich nicht liiert bin und die Person in Alter und Geschlecht meinen Präferenzen entspricht (und es sich nicht um eine Romanfigur handelt...), werde ich wahrscheinlich auch versuchen, sie in meinen Bau zu schleppen. Mit wechselndem Erfolg.

Jedenfalls stoße ich an irgendeinem sehr frühen oder sehr späten(...) Punkt dieses phantasierten oder realen Näherkommensprozesses immer auf das gleiche Dilemma:
Irgendwann merke ich, daß meine Rolle in dem Stück, egal, wie nah ich käme, immer die der "Frau an seiner/ihrer Seite" wäre.
Die Leserin des Autors, der Fan des Stars, die Frau des tollen Mannes, die beste Freundin der tollen Frau.

Und dann stelle ich fest, daß die eigentliche Sehnsucht nicht die nach Zusammensein mit dem/der Angebeteten war, sondern der Wunsch, die Person zu SEIN, oder WIE die Person zu sein.
Das ist sicher auch eine ganz normale menschliche Sehrsucht, aber ich kann sie emotional von dem Wunsch nach Zusammensein nicht sinnvoll unterscheiden.

Das führte dazu, daß ich ein paar Jahre lang, nachdem ich hauptsächlich damit beschäftigt war, real existierende und (imho) bewundernswerte Männer in meinen Bau zu schleppen, sehr besorgt darüber war, daß meine Wünsche zunehmend darum kreisten, wie sie zu sein. Also weniger, ihnen nah zu sein, sondern eben wie sie. Und weil es alles Männer waren, hatte ich eine Zeitlang sogar Sorge, ich wolle eigentlich ein Mann sein.
Das will ich immer noch, oft, aber sobald ich eine wunderbare Frau treffe, will ich eben auch wie die sein. (Weil ich auf Männer stehe, finde ich aber spontan viel öfter Männer wunderbar. Das verkompliziert die Vorbildfindung.)

Müßig zu erwähnen, daß ich eigentlich ICH sein will, und natürlich vor allem bestimmte Eigenschaften beneide. (Der Satz war nur für meine eventuell mitlesenden Eltern, die sich sonst Sorgen um mein Selbstwertgefühl machen. Darum geht es mir aber gar nicht.)

Im Ergebnis führt das dazu, daß ich längere Freundschaften und Beziehungen wiederum nur mit Leuten aushalte, die ich zwar mag, aber nicht ernsthaft bewundere. Weil ich da mehr von MIR merke und weniger in die "an ihrer Seite"-Rolle rutsche, vor der ich dann irgendwann wieder fliehen muß.
Es ist sicher auch nicht wichtig, Freunde oder Lebensabschnittspartner den ganzen Tag zu bewundern, aber es kommt mir dann so seltsam vor, im Vergleich zu den vielen (für mich) bewundernswerten Gestalten da draußen, die ich hätte haben können und neben denen ich es nicht ausgehalten habe.
Ich suche in mir noch nach einem Modus für Bewunderung ohne Neid. Oder ohne temporäre Selbstaufgabe. Dann könnte ich mit einer Menge toller Leute zusammensein, und wäre einfach ein anderer "toller Leut" mit ihnen.
Aber vielleicht bin ich das ja die ganze Zeit und merke es nur nicht?

Kompliziert.
Versteht Ihr, was ich meine? (Ich nicht wirklich.)
Kennt Ihr das Problem?
G u i n a n (Gast) - 15. Sep, 11:56

Du bist ein ganz tolles _Leut_ - und manchmal wünsch' ich mir, ein bisschen mehr wie du zu sein ;)

madove - 15. Sep, 20:54

Ui, danke...
Klingt jetzt nach einer platten Retourkutsche, aber ich kann das zurückgeben. Du wirkst zB stärker, ruhiger, sicherer. Bewunderns- und -neidenswert.
Apropos: Hast Du schonmal drüber nachgedacht, selber zu bloggen? Dann könnte ich meinen Neid auf mehr konkrete Anhaltspunkte stützen ;-)
G u i n a n (Gast) - 16. Sep, 11:21

Dankeschön *freu*. Ich seh' mich selbst gar nicht so. Besonders an der Sicherheit hapert's.
Selber bloggen? Ja, drüber nachgedacht schon, aber solange ich noch die meisten Kommentare drei Mal lese, die Hälfte der Sätze streiche und oft auch gar nichts abschicke, aus Angst, zu viel von mir preiszugeben, bin ich wohl noch nicht so weit.
wrst jr. (Gast) - 15. Sep, 12:28

Warum...

... habe ich eigentlich einen Blog, wenn du meine Gedanken aufschreibst?

madove - 15. Sep, 20:55

Hallo, liebste Zielgruppe :-*

Damit Du da reinschreiben kannst, wie du damit umgehst und was zum Henker ich dagegen machen kann...
tonja (Gast) - 17. Sep, 20:26

haha, sind wir denn alle gleich?

ich habe mich eben das selbe gefragt!!!!!!!! was hast du nur für eine leserschaft?! :D



ich denke, dass bewunderung ohne neid wirklich nur dann möglich ist, wenn man sich selbst nicht nur mag, akzeptiert, sondern so unfassbar liebt, dass einem die anderen einfach zu egal sind, als dass man sie noch beneiden würde. dann ist aber auch die bewunderung weg. das würde bedeuten, dass man wieder viel zu egoistisch und arrogant wäre und zu UNabhängig von liebe und anderen menschen.

nun, wie du siehst: ich bin auch noch nicht schlauer geworden...
madove - 17. Sep, 23:09

Es klappt, es klappt!

Ich finds ja immer vor allem nett, mit diesem Murks nicht allein zu sein.
Willkommen im Club.
Dadurch wirds natürlich nicht wesentlich besser, aber ich komm mir nicht mehr so bescheuert vor.

Ich frag mich, ob es Zufall ist, wer alles "hier" geschrie(b)en hat, also insbesondere ob das Männern genauso geht. Oder eher nicht so. Aber wie dann?

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Über mich

"Ma dove?" ist italienisch und heißt "Aber wo?".
Der "Name" ist eigentlich zufällig an mir hängenge-blieben, paßt aber bestechend:
Ich suche.
Den Sinn des Lebens, meinen Platz in der Welt, meinen eigenen Stil, und eigentlich ständig meinen Schlüsselbund. Bislang mit mäßigem Erfolg, aber unverdrossen.
Um herauszufinden, was ich denke, lese ich gerne hier nach. Dafür muß ich es aber erst schreiben.
Daher das blog.


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