Nächtliche Grübeleien

Mir fällt auf: Ich bin jetzt 33.
Das ist das Alter, das der Mann hatte, mit dem ich mit 17/18 meine erste ernsthafte Liebesgeschichte - mein erstes Mal - meine erste Affäre ...irgendwas halt... hatte.

Die Initiative dazu ging primär von mir aus, und mir erschien das Ganze damals extrem naheliegend und sinnvoll: Ich bin eigentlich nur mit Erwachsenen aufgewachsen und habe meine ganze Jugend durch mit Gleichaltrigen nie irgendeine Art von Kommunikation zustandegekriegt, (ich war wahrscheinlich auch altklug und streberhaft aus ihrer Perspektive), und ich fand diesen Mann, der selbstbewußt, ruhig, sehr gebildet, freundlich und sehr respektvoll zu mir war, ausgesprochen attraktiv.

Ich halte die ganze Geschichte auch nach wie vor für eine der gelungensten meiner vergangenen Männergeschichten: Sie war nie als "Liebe" deklariert, wir hatten keine wenig Erwartungen und Enttäuschungen, grandiose Gespräche (aus meiner Perspektive zumindest), viel Spaß, und ich bin selten so für voll genommen und respektiert worden - wahrscheinlich weil er sich nie so sehr in eine emotionale Bedürfnis-Situation gebracht hat, daß er mich hätte manipulieren oder zu ändern versuchen müssen.

Was mir aber aus heutiger Sicht etwas unverständlich ist: Ich war wie gesagt damals 17 bzw. 18. Sicher, wie gesagt, eher altklug und reif für mein Alter. Aber trotzdem frage ich mich, wenn ich heute mit Menschen diesen Alters zu tun habe, was ihm wohl alle unsere "tiefgehenden philosophischen Gespräche" gebracht haben können. Für mich fühlen diese Leute sich an wie ... Kinder. Zum Teil nette, zum Teil vielversprechende Kinder, und zum Teil auch so, daß man inhaltlich überrascht ist und denkt "Oh, das war aber eine interessante Aussage, für ihr Alter!", aber ich kann mir wirklich nicht mehr richtig vorstellen, was er mit mir als Person damals anfangen konnte. Ich fand mich damals zwar extrem erwachsen und intelligent, aber wenn ich mich heute an mich erinnere, muß ich da doch lächeln.

Jaaa, schon klar, man kann mit jungen Mädchen auch noch was anderes machen als gute Gespräche führen, aber das stand eigentlich gar nicht so im Vordergrund, in meiner Wahrnehmung, und auch da gind die Initiative nicht primär von ihm aus.

Eher wahrscheinlich finde ich, daß es ein schönes Gefühl ist, jemandem gegenüber als so weise und souverän auftreten zu können, und intellektuell solchen Eindruck zu machen. Aber mich reizt der Kontakt zu soviel jüngeren Menschen (beiderlei Geschlechts) wenig, weil ich das Gefühl habe, die haben mir überhaupt nichts Interessantes zu sagen. Deshalb kann ich mir das nicht so gut erklären. Schon mit Anfang 20 ist das anders, da haben sie schon irgendwas erlebt.

Das würde mich wirklich mal interessieren, aus der Sicht von jemand, das mal als Über-30-Jähriges eine Beziehung oder intensive Freundschaft mit einem Teenager hatte - war da wirklich die Person interessant? Inwiefern?
Oder ist's mehr die Tatsache, daß man einfach nicht so sehr ständig in Frage gestellt wird wie in einer Beziehung mit einer wirklich ebenbürtigen Person, die einen herausfordert?
Muriel (Gast) - 21. Aug, 11:41

Ich kann zwar mit dieser Erfahrung nicht dienen, aber ich kann mir gut vorstellen, dass es interessant ist, mit jemandem zu reden, der viel jünger ist als man selbst. Gerade die völlig andere Perspektive kann mich doch durchaus sehr herausfordern.

madove - 22. Aug, 09:53

Ich denke nach längerer Überlegung auch nicht, daß es der Altersunterschied an sich ist. Schon meine Schwester, die 11 Jahre jünger ist als ich (also 22) hat "charakterbildende" Sachen erlebt, die ich nicht erlebt habe, und sich Gedanken gemacht, die ich noch nie hatte, und kann mir deshalb viel Neues sagen, plus den anderen Blinkwinkel der Jüngeren.

Aber jemand, der noch nicht mal aus der Schule raus ist und auch sonst, außer vielleicht sehr belesen zu sein, auf keine besonderen Erfahrungen zurückgreifen kann? Bei allem, was ich aus dieser Zeit in meinen Tagebüchern an "tollen" Gedanken finde, denk ich heute: Okay, und dann bist Du zwei Jahre später der Realität begegnet, und alles sah ganz anders aus.
Falkin - 21. Aug, 19:30

Eine Überlegung,

sowie Erfahrung, die ich teile...!!! Ich war ein relativ frühreifes Ding, zumindest was meine intellektuelle Entwicklung anbelangte. Ich las Sartre, Kant, Crowley, Nietzsche, hörte höchstkomplizierte Musik, verfasste tragische, noch kompliziertere Abhandlungen über das Leben, das Nichts, Sinn und Sein, malte erschreckend ernste Bilder und kam mir reflektiert, schlau und so erwachsen wie nie wieder danach vor.

Im Zusammenhang mit dem Umzug hierhin fielen mir alte Tagebuchaufzeichnungen in die filigranen Krallen. Nun, einige Gedankengänge waren nicht unschlau, aber so im Großen und Ganzen musste ich schmunzeln über diesen frühreifen, altklugen, schwerlastigen Teenager - .... mein Bekanntenkreis bestand natürlich intellektuell wertvoll aus Schauspielern, Musikern, Galeristen, Malern, Soziologen, Philosophen, einem Schamanen und einem Zen-Sonstwas. Und natürlich allesamt älter. Viel älter. Und JEDER der männlichen Bekannten startete damals eindeutige Versuche, a) mich in die Horizontale b) in sein Leben einzubinden. Wie ich anmerken möchte: beides erfolglos.

Über meine Arbeit begegne ich vielen Jugendlichen, die ich teils (z.B. über Arbeit statt Strafe) über einen längeren Zeitraum begleite. Der heutige Jugendliche bietet ja zumindest figürlich Einiges, was so mancher gestandene Kerl meiner Generation (ich bin 43) nicht zu bieten hat. wahrscheinlich, weil es für die Männer meiner Generation nicht normal ist, sich mit Steroiden vollzupumpen. Äußerlich sind das ausgewachsene Kerle. Manche ganz böse Jungs. Zu-tattoo-wiert. Sehr Macho. Sehr erwachsen. (übrigens Milieu-übergreifend).... und alle... und damit meine ich sogar manchen 29/30 jährigen wirken auf mich wie Kinder. Oder richtiger: Ich bin mir vollkommen bewußt, es SIND Kinder.

Da ich in der Regel für jünger gehalten werde, erhalte ich von diesen "Kindern" tagtäglich Avancen. a) mich in die Horizontale b) in sein Leben einzubinden (dieser Tatbestand scheint sich also nicht zu verändern). Ich könnte mit nicht einem etwas anfangen... bzw. richtiger: ich könnte nicht einen von diesen als Gegenüber akzeptieren/ respektieren. Geht nicht. Meine Schmerzgrenze liegt so bei 5 Jahre Minus.

...und glaube, dass es vorrangig Menschen mit Selbstwertproblemen, oder Jugendlichkeitswahn sind, die sich zu wesentlich Jüngeren hingezogen fühlen. Klar, mag es reife Jüngere geben, aber ihnen fehlen - und daran lässt sich nichts feilen - die Jahre im Brutkasten des Lebens, ... Sicher mag es Einzelfälle geben, wo die Götter sich einen Scherz erlauben und die Große Liebe Generationen überspringen lassen. Aber ich denke - s.v.- hierbei handelt es sich um Ausnahmen.

Natürlich nur meine höchst-individuelle Betrachtungsweise... die niemand teilen muss ;)

Einen beschwingten Gruß aus dem Falkennest sendet:
die Falkin

madove - 22. Aug, 10:02

Was ich an deinem Kommentar besonders interessant finde, ist, daß sich das Alter der "Kinder" zu verschieben scheint.
Ich wollte mich eigentlich an der Theorie festbeißen, daß es explizit Teenager sind, die gar nicht gehen, weil sie noch nicht aus der Schule raus ins Leben geguckt haben, aber wenn für Dich mit 43 auch 29jährige noch "Kinder" sind/sein können, liegt der Verdacht nahe, daß es doch auch am Abstand liegt. Eine These, die ich vermeiden wollte, weil ich mich doch JETZT, mit 33, so ungemein erwachsen und erfahren fühle ;-)
Falkin - 22. Aug, 12:52

Damals

1804 jobbte ich in den Semesterferien in einem Altenpflegeheim. Der 60-jährige Neuzugang wurde von den 80-jährigen als "Teeny" betituliert ;)) Mit Alter und Erfahrung verschiebt sich sicherlich auch der individuell unterschiedlich empfundene Abstand?! Aber das hilft Dir ja bei Deiner eigentlichen Fragestellung nicht wirklich weiter. Einen zauberhaften Sonn-en-tag!
Samuel B. - 24. Aug, 23:23

zwischen 17 und 33 sind 16 jahre ... oder?
mit 33 habe ich mich für eine/n 17-jährige/n nicht interessiert. absolut nicht.
jetzt bin ich - sag ich mal so - gut 10 jahre älter und menschen, die 16 jahre jünger (oder auch 20) sind als ich, sind interessant.
interessant, weil sie einen anderen blick auf die welt haben, weil sie ein anderes verständis haben, weil sie andere prioritäten setzen und weil sie, sorry für die mitt-zwanziger, dumm sind (so wie ich damals auch) aber noch ideale haben.
anders gesagt, begegne ich einem aufgeschlossenem 25-jährigem kann ich einiges von ihm lernen, andererseits kann ich mit meinem wissen, mit meiner doch dann schon durchaus zu nennenden lebenserfharung akzente setzen, gedanken anregen, problemstellung von einer ganz anderen warte aus betrachten.
und ich geb zu - sowas tut mir dann einfach gut, es befriedigt den eigenen narziß.
andererseits, war ich in dem altern wirklich für die leute dankbar, die mir die zeit schenkten und mir halfen über den eigenen tellerrand hinauszuschauen.
aber wie gesagt, als ich 33 war, da interessierten mit 17-jährige so gar nicht - da war ich froh, endlich abstand zu dem alter gewonnen zu haben.

madove - 25. Aug, 17:33

Ja, irgendwie so denk ich mir das halt auch.
Vielleicht schreib ich ihm mal, wenn ich ihn noch find, und frag ihn, was ihm damals motiviert hat. Falls ich mich traue. Vielleicht will ichs aber auch gar nicht genauer wissen und mir einfach die schöne Erinnerung so behalten...?
tonja (Gast) - 2. Sep, 00:44

diese fragen

hab ich mir auch schon gestellt. ich hatte großteils der zeit beziehung zu wesentlich älteren männern, gerade in meiner "anfangszeit", "ausprobierzeit", was auch immer.

ich hielt mich immer für besonders reif für mein alter und das wurde mir auch oft mitgeteilt, dennoch weiß ich heute auch, was das für ein blödsinn war. vielleicht war ich ein "halbes jahr voraus", das heißt aber nicht, dass das mit geistiger reife vergleichbar gewesen wäre.

in meinem fall seh ich das heute sehr pessimistisch: ich denke, ich war gut formbar. und faszinierend sprühend vor energie (von der ich sie heute nur mehr sprühen kann, wenn ich es wirklich fühle). damals hab ich das eben immer ausgestrahlt. und man konnte das nutzen und daran saugen. deshalb gibt es heute von dieser energie auch weniger.


also, meine antwort: es war immer ein geben und nehmen:
ich gab ihnen energie, formbarkeit und war der jungbrunnen, sie gaben mir gute gespräche, austausch, erfahrung.....

ich bin sicher, dass es doch um einiges komplexer war - aber so kann ich es für mich zusammenfassen und kann ganz gut damit leben.

heute frag ich aber jeden 34jährigen, der mir von einer 17jährigen vorschwärmt, ob er noch was im köpfchen hat. es erscheint mir vollkommen unpassend.
damals hab ich das sehr verteidigt ;o)

madove - 2. Sep, 08:33

Das ist genau die andere Hälfte der Gedanken, die mir beim Schreiben vielleicht unter en Tisch gefallen sind. Da unterschreib ich jeden Satz.
Außer, daß eben meine Erinnerungen an DIESE eine Geschichte auch im Rückblick eher positiv sind, weil er seine "Macht" wenig genutzt hat und ich das Ganze gestalten konnte.

Aber prinzipiell denke ich auch: Ein strahlendes, unbelastetes, fröhliches Wesen, das an Deinen Lippen hängt und Dich für Deine Weisheit anbetet, hat sicher was. Aber den Wunsch danach würde ich heute als ein eher Zeugnis von charakterlicher Schwäche (oder so) und narzißtischer Störung werten...
Schade, daß ich keine Mittdreißiger hier habe, die so eine Beziehung verteidigen wollen, ich wäre wirklich neugierig, ob ich was übersehe!
tonja (Gast) - 4. Sep, 00:57

frag dich doch mal..

warum es tausende ehemalige 17jährige gibt, die erinnerungen daran haben und diese teilen

und kaum auffindbare ehemalige 30jährige, die darüber reden? *gg*

aber du hast recht - ich würde auch gerne mal mit meinen verflossenen darüber reden.

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"Ma dove?" ist italienisch und heißt "Aber wo?".
Der "Name" ist eigentlich zufällig an mir hängenge-blieben, paßt aber bestechend:
Ich suche.
Den Sinn des Lebens, meinen Platz in der Welt, meinen eigenen Stil, und eigentlich ständig meinen Schlüsselbund. Bislang mit mäßigem Erfolg, aber unverdrossen.
Um herauszufinden, was ich denke, lese ich gerne hier nach. Dafür muß ich es aber erst schreiben.
Daher das blog.


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