Schon wieder eine...

Im Moment trudeln gefühlt täglich neue Geburtsmitteilungen ("XXXX gramm, XX cm, Kopfumfang XXcm, Mutter und Kind mehr oder weniger wohlauf") von allen Seiten bei mir ein, und ich schäm mich ein bißchen, daß meine Freude ausbleibt.

Das ist kein Neid, ich könnt ja auch, ich will ja nur nicht.

Das Problem ist, daß sich einfach mit jeder dieser mails wieder eine Freundin weiter von mir entfernt.
Am Anfang hab ich das nicht geglaubt.
Meine Eltern sind mit mir (und später meiner Schwester) unter dem Arm ständig unterwegs und mit Freunden aktiv gewesen; nicht immer freiwillg, aber das ist eine andere Geschichte. Und die wenigen entfernten Bekannten, die während des Studiums Kinder bekommen haben, hatten die auch immer dabei und haben an der Gemeinschaft und an inhaltlichem Austausch teilgenommen, ihr Leben primär als Menschen und nicht als Eltern geführt.
Es geht also, dachte ich.

Es geht wohl, aber es scheint sich um Ausnahmen zu handeln.
Schon mit dem ersten Kind hat sich, so unglaublich ich das vorher fand, der Großteil meiner Freundinnen in Hausfrauen verwandelt, inklusive dem extrem aufregenden Themenspektrum für Gespräche, das dieses Dasein mit sich zu bringen scheint. Aber da war noch Hoffnung, auch von ihrer Seite, wenn das Kind mal ein bißchen größer ist und durchschläft, dann auch mal wieder was anderes machen zu können. Aber viele der Karten und e-mails, die ich jetzt bekomme, zeigen ein zweites Kind an, und damit meist auch die Entscheidung, langfristig nicht in den Beruf und in den Austausch mit der Welt zurückzugehen.
Es sind aussschließlich die Frauen, und sie tun es alle aus irgendeinem "guten" Grund. Meistens, daß der Mann gerade jetzt an einem besonder entscheidenden Punkt seiner Karriere und mit gutem Einkommen arbeitet, sodaß es doch blöd ware, wenn er gerade jetzt ausgebremst würde. Abgesehen davon, daß diese Hausfrauen alle studiert haben, kann ich keinen wesentlichen Unterschied zu den fünfziger Jahren feststellen.

Solange nicht wirkich selbstverständlich ist, daß Kindererziehung Sache beider Eltern ist, solang die Verdienstschere zwischen Frauen und Männern nicht zugeht, solang sich die Männer nicht wirklich, wirklich, wirklich für den Haushalt verantwortlich fühlen, ohne daß frau sie bitten muß, solange Arbeitgeber nicht genauso zögern, einen jungen Mann einzustellen, weil der ja wahrscheinlich bald Kinder kriegen und zuhause bleiben wird, solange wird einfach die Mehrheit der Frauen dann doch im entscheidenden Moment einen Schritt zurücktreten und sich mit "ihrer natürlichen Bestimmung" und diesem warmen Bauchgefühl der Mutterschaft zufriedengeben. Und mich dann nach einem Jahr heulend anrufen, weil sie es nicht mehr aushält, daß sich ihre Kommunikation den ganzen Tag auf "Mama, Papa, aua" beschränkt, obwohl sie kurz vor der Promotion stand.

Jede von diesen Frauen ist selber schuld, aber die Babyfalle ist stark.
Wenn man seine Kinder nicht sowieso in seltsamen Lebensumständen kriegt, sondern in der klassischen festen Zweierbeziehung, in der zwar beide theoretisch furchtbar gleichberechtigt sind, aber der Mann halt ein "bißchen" mehr verdient und die Frau halt ein "bißchen" mehr im Haushalt macht, dann ist es immer noch wirklich schwer, dagegen anzugehen, sehe ich.
Einfach weil jeder Schritt raus aus der klassischen Rolle immer noch gegen so viel seltsames schlechtes Gewissen gegenüber andressierten "Pflichten" mit sich bringt, und weil die Männer, ohne böswillig zu sein, immer noch ihre Hauptidentität im Beruf sehen. Sie sind gerne bereit, mal was mit dem Kind zu machen und "helfen" auch im Haushalt, aber es interessiert sie nicht, wo die Ersatzbeutel für den Staubsauger und die für das Kind sind und wann das Kind die nächste Windelgröße braucht, weil das eigentlich nicht ihr Problem ist.

Andererseits muß man bedenken, wie unglaublich kurz die Zeitspannen sind, seit man in den siebziger Jahren angefangen hat, diese Dinge wirklich gesellschaftlich in Frage zu stellen. Dafür seh ich erstaunlich viele Männer mit Kinderwagen (nach Feierabend...) in der Stadt. Aber die Mädels müssen lernen, diese Konflikte auszutragen und nicht nur auf das Wohlwollen der eigentlich doch so netten Partner zu warten.
Typisches Zitat: "Ich hatte mir mein Leben anders vorgestellt, aber so ist es doch auch schön. Ich liebe meine Kinder doch! Und wenn er diese stressige Phase mit diesem Projekt hinter sich hat, kann er sie vielleicht auch öfter nehmen, dann kann ich den VHS-Kurs machen."

Da ist echt noch viel zu tun.

Ich glaub, ich erklär heute mal meinem, wie man den Staubsaugerbeutel wechselt.
Aber er ist grade so müde, er hatte gestern einen so anstengenden Tag auf der Arbeit.

Aber ich auch.
Muriel (Gast) - 13. Aug, 10:47

Mother ist the name for God on the lips and hearts of all children.

Ich kann Mütter irgendwie nicht leiden. Also, nein, das kam jetzt falsch rüber. Die Idee einer Mutter. Die konkreten Personen sind, wie alle Menschen, manchmal ganz okay.
Aber die Mutterschaft an sich ist für mich eine ausgesprochen unsympathische Idee.
Das klingt jetzt auch wieder ein bisschen scheußlich. Man muss ja auch nicht immer alles kaputt erklären.

madove - 13. Aug, 11:12

Mütter an sich sind halt relativ unvermeidlich. Zumindest für uns alle, die wir schon geboren sind...
Und wenn man nicht, wie ich, das möglichst zügige Aussterben für eine gute Idee hält, dann sind sie auch weiterhin unvermeidlich.
Ich denk, es kommt drauf an, was man(n?) draus macht.
Ich stell mir das Kinderkriegen schon als eine relativ existenzielle Erfahrung vor, also sowohl diesen Teil der Schwangerschaft und Geburt, als auch das Gefühl, Kinder zu haben. Also Menschen, die auf mich geprägt werden wie Entenküken, und die auch mit 80 noch in der Art, wie sie lachen, ihre Wohnung einrichten oder sich die Nase putzen, mich in sich wiedererkennen werden, wenn ich schon längst tot bin. Die mich nie loswerden können. (Das geht aber genauso mit Vätern).
Alles andere ist meines Erachtens wirklich gesellschaftlicher Humbug, um Hausfrauen bei Laune zu halten. Und die leiten dann aus all dem, was sie sich ungebetenerweise für ihre Kinder versagt haben, ein seltsames moralisches Übergewicht ab. Alles sehr scheiße. Deshalb wunder ich mich ja auch, warum es noch nicht aufgehört hat.

Ich hoffe, das war jetzt an undifferenzierter Unklarheit Deinem Beitrag ebenbürtig.
Muriel (Gast) - 14. Aug, 13:22

Das Urteil darüber überlasse ich gerne anderen, aber mal was ganz anderes: Kann dein Gefährte wirklich keine Staubsaugerbeutel wechseln? Was ist denn das für ein Mann?
madove - 14. Aug, 15:09

Klar kann der das. Hoff ich. Der ist ja nicht blöd, nur faul.
Er hat halt kürzlich gesaugt, und mir dann mit einem kindlich-distanzierten Lächeln den Staubsauger hingehalten und gesagt "Der Beutel ist voll." Und ich hab den Staubsauger genommen, und den Beutel gewechselt.
Wer da jetzt "schuld" ist, ist eine GANZ andere Frage. Und klar, es ist ein Detail. Aber den Mechanismus haben wir bei Haushaltssachen durchaus öfter, d.h. ich habe die Wahl, mach ich jetzt einen nervigen pädagogischen Auftritt, oder erledige ich es kurz selber. Aber so ganz von allein ist selten. Halt eher wie mit einem (prinzipiell wohlwollenden) Grundschulkind.
Dazu kommt noch, daß er kein Problem damit hat, Wünsche, Aufforderungen und Kritik zu äußern. Ich schon. Das bringt eine gewisse Asymmetrie in die Sache.
Ich hätte aber nicht so allgemein drüber geschrieben, wenn ich nicht die gleichen Mechanismen ständig in meinem Umfeld sehen würde.
Muriel (Gast) - 15. Aug, 08:14

Verstehe. Also, das klappt bei uns ziemlich gut, wir teilen uns das ohne große Probleme.
Na gut.
Mit dem Abfall will Keoni nichts zu tun haben, und bügeln kann sie irgendwie nicht so gut.
Aber das ist menschlich. Dafür kann ich keine Wäsche falten und räume nicht gern die Einkäufe ein.
DasSan (Gast) - 13. Aug, 16:57

Ich finde, die Mutterrolle wird irgendwie überbewertet und es wird so wahnsinnig viel von den Müttern erwartet, der Druck wird dabei auch irgendwie immer mehr (liegt wahrscheinlich an den sinkenden Geburtenzahlen, jedes Kind wird als kostbare Investition betrachtet).
Eine gute Freundin, die vor 1 Jahr Mutter geworden ist, meinte letztens zu mir, ihr Mann könne jetzt auch schon mal mit dem Kleinen allein bleiben, weil er jetzt besser mit ihm zurechtkommt. Da dachte ich sofort - warum konnte er das denn vorher nicht, sie kannte sich doch auch nicht besser mit dem Kind aus (im Bauch rumtragen zählt ja nicht wirklich als Erfahrung und Stillen fiel auch aus).
Wobei ich aber das Gefühl habe, mein Mann könnte das sehr gut machen, denn ich habe z.B. keine Ahnung, wie man an unserem Staubsauger den Beutel wechselt und er weiß sogar, wo die Dinger sind.

madove - 13. Aug, 19:01

Ja, das empfinde ich auch so.
Das Kind ist einerseits für die Eltern Mutter ein absolutes Selbsverwirklichungsprojekt, und auch der Druck von außen, alles richtig zu machen, ist irgendwie enorm gewachsen. Ich empfinde die jungen Eltern in meiner Umgebung auch als geradezu hysterisch.
rebhuhn - 13. Aug, 23:53

da bin ich wohl mit einem tollen exemplar gesegnet, denk' ich mir gerade. er kann sich gut vorstellen, hausmann zu sein/werden und ich denke auch zum allerallerersten mal in meinem leben, daß ich [zwar noch immer nicht unbedingt kinder möchte, schon gar nicht jetzt, aber] mir mit ihm vorstellen kann, das ganze ding organisatorisch überhaupt irgendwie zu wuppen. [!!] eben weil er abnimmt und mitdenkt.

aber insgesamt denke ich auch immer wieder darüber nach. also, z.b. über das thema mit dem namen. sind alle erstaunlich konservativ/spießig/traditionell, was das angeht.

madove - 14. Aug, 08:46

ja, das mit den Namen ist auch sone Sache.Das haben auch um mich rum nur zwei Männer gemacht, und die hatten explizit blöde Nachnamen. In den anderen Fällen war es immer ein "Ja, wir haben drüber geredet, aber es war ihm dann doch so wichtig, und eigentlich ist es ja egal." Ich hab den Eindruck, ganz viele Frauen sind dressiert auf "Der Klügere gibt nach." Schließ ich mich mit ein. Ist im Einzelfall ja auch sinnvoll, aber die Einzelfälle häufen sich dann doch ein bißchen, so um mich rum.
rebhuhn - 14. Aug, 15:35

was du oben mit dem wünsche äußern ansprichst, ist aber doch 'ne gute sache, um daran zu arbeiten! ;) stell dir vor, dann kämt ihr in 'allem' super klar - schließlich muß er, wenn er 'austeilt', auch einstecken können. ansonsten läuft's dann halt schief - wäre aber ja auch 'ne erkenntnis. *hust
[scnr - nimm's nicht zu ernst.]

hier ist übrigens noch eine :).
[mal einfach verlinkt, weil sie in diesem post ganz gut für mich spricht. allerdings bin ich weit davon entfernt, mich ernsthaft für irgendwas einzusetzen.]
madove - 14. Aug, 18:08

Du hast vollkommen recht.
Deshalb richtet sich mein Gemaule in diesem Punkt ja auch im wesentlichen gegen die Frauen, und je nach Situation auch gegen mich selber. Ich wundere mich selber, an wie vielen Stellen ich mir Aufgaben oder Verantwortung für Haushaltsgeschichten andrehen lasse, wenn er eigentlich nur sagt, daß er (gerade oder dauerhaft) keine Lust hat, das zu machen (ein sehr nachvollziehbarer Zustand, geht mir ja genauso).
Bei uns seh ich gelegentlich die Lösung dann auch darin, daß es dann eben KEINER macht, zumindest eine Zeitlang. Wenn man Kinder hat, ist das halt deutlich schwieriger, weil da eine Menge Sachen wirklich gemacht werden MÜSSEN, und man nicht beliebig lange Chicken spielen kann.

Der Link ist prima, danke!
Das Phänomen kenn ich auch, sowohl als Feministin als auch als "Linke" wissen manche Leute sowieso schon vorher, daß ich nur gekommen bin, um ihnen jeglichen Spaß zu verderben, da brauch ich gar nix sagen ;-)
rebhuhn - 30. Aug, 15:42

nochmal so halb OT:
kennst du schon die fuckermothers? :) also, ich finde die ja cool...

madove - 31. Aug, 07:16

Oh, wie schön, daß irgendjemand mein Blog pflegt, wenn ich das schon nicht mache ;-)
Die Seite hatte ich schonmal gefunden, aber dann wieder vergessen. Jetzt kommt sie in den Reader - Beistand ist nützlich. Danke!

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Über mich

"Ma dove?" ist italienisch und heißt "Aber wo?".
Der "Name" ist eigentlich zufällig an mir hängenge-blieben, paßt aber bestechend:
Ich suche.
Den Sinn des Lebens, meinen Platz in der Welt, meinen eigenen Stil, und eigentlich ständig meinen Schlüsselbund. Bislang mit mäßigem Erfolg, aber unverdrossen.
Um herauszufinden, was ich denke, lese ich gerne hier nach. Dafür muß ich es aber erst schreiben.
Daher das blog.


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