Unwrapping the onion

Irgendwo in den Tiefen des Internets bin ich vor kurzem über Melissas Blog gestolpert.

Sie hat einen "Protestant Fundamentalist"-Hintergund, kommt also aus einer Familie in den USA, wo die religiös legitimierte Unterordnung der Frau unter den Mann, Prügelstrafen für die Kinder, Abstinenz vor der Ehe, Homophobie und alles andere, was man sich so an Schrecklichem vorstellen kann, völlig selbstverständlich sind, und hat dank Homeschooling und Heirat innerhalb der selben Community lange Zeit diese Vorstellungen als alternativlos gelebt.

Ihr Blog, das sie als junge Mutter von inzwischen vier Kindern begonnen hat, begleitet ihre eigene Entwicklung weg von diesen "Werten", offensichtlich bestärkt durch den Glücksfall, daß ihr Partner, obwohl als Pastor sehr eingebunden in die Szene, auch zu einer gewissen Offenheit in der Lage war.
Vor kurzem hat sie/haben sie sich entschlossen, über einen der wichtigen Gründe für diese Entwicklung zu berichten, nämlich die Geschichte zu erzählen, wie ihr Partner ihr gestanden hat, daß er unter "Gender dysphoria" leide, also dem Gefühl, eigentlich eine Frau zu sein - und wie sie als christlich-fundamentalistisch geprägtes Paar damit umgegangen sind. Sie ist noch dabei, das zu erzählen, deshalb weiß ich noch nicht, wie es ausgeht...

Als jemand, die in einem Umfeld großgeworden ist, in dem ich zu keiner Zeit allzu große Sorgen gehabt hätte, meiner Familie oder auch meinen Freunden irgendein Geständnis dieser Art zu machen, ist es tief beeindruckend, aus erster Hand von den schrecklichen Selbstvorwürfen und Ängsten zu lesen, die gebildete erwachsene Menschen durchleiden müssen, wenn man ihnen nur einfach ihr Leben lang genug Scheiße erzählt hat. (...hm. In dieser Allgemeinheit gilt der Satz auch für mich, wenn auch in moderaterem Rahmen...)

Andererseits ist es auch unglaublich ermutigend, Melissas (und beider) Entwicklung zu verfolgen: Schritt für Schritt diese Prägungen hinter sich zu lassen und eine partnerschaftliche Beziehung zu führen, mit dem regelmäßigen Schlagen der Kinder mit dem Kochlöffel aufzuhören (gruselig die schrecklichen Zweifel, die man offensichtlich in dieser Community damit hat - vielleicht schade ich meinen Kindern, wenn ich das nicht mehr mache?) und offensichtlich auch mit diesem jetzt beschriebenen Gender"problem" als Paar offen umzugehen. Und (mit etwas zeitlichem Abstand) darüber zu berichten.
Doppelt mutig darüberhinaus auch deshalb, weil, wenn ich das richtig lese, vor einiger Zeit jemand ihre Identität ihrem Blog zugeordnet hat und sie eine Weile gezögert und sich dann fürs Weiterschreiben entschieden hat.

Wer also gerne anderen Menschen beim Lernen und Wachsen und Kämpfen "zuschaut" und dabei einen Eindruck gewinnen möchte, wie das wunderbare Christentum im wunderbaren Land der Freiheit den Menschen die Erlösung bringt, dem sei dieses Blog ans Herz gelegt.
Muriel (Gast) - 14. Apr, 11:58

Dann will ich da doch mal hinschauen. Vielleicht finde ich dort ja ein bisschen Verständnis für dieses Gefühl, "eigentlich" was anderes zu sein als man ist.
Bisher ergibt das für mich nicht besonders viel Sinn.

madove - 14. Apr, 13:31

Ich glaube, das eher nicht so... Dort findet man eher was zum Umgang damit, in dieser etwas extremen Umgebung.
Wir hatten das Gespräch ja schonmal: Ich kann mir hervorragend vorstellen, daß man glaubt, was anderes zu sein, als die Gesellschaft anhand der äußeren Geschlechtsmerkmale von einem erwartet, und wenn man selber GLAUBT, daß Männer so und Frauen so sind, dann kann man ja durchaus zu dem Ergebnis kommen, daß man nicht das ist, was man an sich runterguckend annehmen "müßte". Post-gender ist ja noch nicht so richtig mainstream.
Langfristig finde ich die Idee, daß ein Individuum sich (vereinfacht gesagt) den Penis wegoperieren lassen muß, um öffentlich Röcke und rosa Haarschleifen tragen, fürsorglich und sensibel sein, Männer aufreißen oder sich Martina nennen zu dürfen, total absurd. Gesellschaft, deal with it. Aber solang die Leute SELBER noch an diese Art von Gender glauben, kann das vorkommen, fürchte ich.
rebhuhn - 15. Apr, 21:03

danke. solcherart wandlungen interessieren mich ja sehr, also speziell vom gläubigen hin zum eher nicht so gläubigen. hab' mich bereits festgelesen.

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"Ma dove?" ist italienisch und heißt "Aber wo?".
Der "Name" ist eigentlich zufällig an mir hängenge-blieben, paßt aber bestechend:
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Den Sinn des Lebens, meinen Platz in der Welt, meinen eigenen Stil, und eigentlich ständig meinen Schlüsselbund. Bislang mit mäßigem Erfolg, aber unverdrossen.
Um herauszufinden, was ich denke, lese ich gerne hier nach. Dafür muß ich es aber erst schreiben.
Daher das blog.


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